
Im Schaukasten des Kur- und Verkehrsvereins Pontresina entdeckte ich die Anzeige für einen Kochkurs. Kochkurs ? In den Ferien ? Muss nicht sein. Aber da es an diesem Tag trostlos regnete, durfte es sein. An den dafür vorgesehenen zwei Halbtagen war denn auch prompt schönstes Herbstwetter. So erhielt ich als Kochlaie einmal einen kleinen Einblick in das Treiben der grossen Hotelküche im Hotel Walter Pontresina. Full-house werden hier abends um die 170 Gedecke serviert. Nun ist eine Hotel-Pensionsküche nicht unbedingt das, was einen ambitionierten Freizeitkoch ins Schwärmen bringen würde. Dieses Hotel geniesst jedoch seit Jahren einen hervorragenden Ruf für ausgezeichnete Küche, dessen Gourmet-Restaurant La Stüva ist denn auch mit 15 Gault Millau Punkten bewertet. Sogar die deutsche Bundeskanzlerin, ihren Namen darf ich hier aus Diskretionsgründen nicht verraten, isst während ihrer Winterferien hier.

Das erste, was mir auffiel, waren die Mengen, die hier verkocht werden. Stabmixer, Töpfe, alles ein paar Nummern grösser als bei mir zuhause.

In 2, 3 Töpfen brodelt leise Hühnerbrühe oder der braune Saucenfond, das Gold der Küche, vor sich hin. Stundenlang.

Kochkurse sind hier nur während der ruhigen Mittagszeit und ausserhalb der Hochsaison möglich. Die Küche arbeitete deshalb auch nicht unter Vollbetrieb. Dennoch beeindruckte mich die konzentrierte, rasche Arbeitsweise aller Köche. (total 12 Köche, 2 Patissiers, 2 Casserolliers). Geschwindigkeit, aber keine Hektik. Klare Hierarchie, wenn der Chef etwas anordnet, wird das sofort ausgeführt. Jeder weiss, was er zu tun hat. Niemand schreit herum. Auffallend auch der Gemeinsinn, der in dieser Küche herrscht. Geht irgendwo mal etwas im Ofen oder auf dem Herd vergessen, wird das ohne Aufheben vom Nachbarkoch korrigiert.

Die Küche im bergseitig gelegenen Parterre hat auf einer Seite Tageslicht, angrenzend an den Zentralteil arbeiten die vom Küchenchef hochgeschätzten Casseroliers, auf der andern Seite die Patissiers, die vierte, offene Seite ist der Pass, davor die nötigen Wärmelampen und Wasserbäder für das Anrichten. Enorm der Aufwand der getrieben wird, damit der Gast einen warmen Teller kriegt. Angrenzend an den Pass steht auf 3×3 m ein Riesenmonster von Geschirrwaschmaschine. Bei einem mehrgängigen Gourmetmenu kommen da mit allen Untertellern gut 15’000 Teller zusammen, die gereinigt werden müssen.
Der Kochkurs war vom Typus Kochdemo mit vielen Tips und Erläuterungen, im Gegensatz zu den Rosenblatt-kursen, wo der Teilnehmer mehr zum selberkochen kommt. Beim Purten und Ausnehmen der moules waren hingegen alle Hände gefragt.

Seit 20 Jahren steht die Küche unter der Leitung von Michael Freudrich, der auch alle Kochdemonstrationen persönlich durchführte. Das Anrichten erfolgte durch die Köche unter „Kontrolle“ durch die Kursteilnehmer. Serviert wurde im Gourmetrestaurant. Ich war und bin beeindruckt. Wenn ich wieder mal in Pontresina bin, will ich wieder dabei sein.
Thema des Kochkurses:
Herbstliche Köstlichkeiten für sinnliche Stunden
Muscheln im Rieslingsud
Thailändische Kokos-Hühner-Crèmesuppe
Kalbsrücken mit Pfifferlingen und Kartoffel-Zucchini-Auflauf
Schokoladen-Ingwermousse mit flüssiger Schokolade
Die Rezepte sind zuhause sehr leicht nachkochbar, kein chichi, aber ausgezeichnet. Sie folgen in den nächsten Tagen.

Unzufrieden, weil heute kein Rezept dabei ist ?
Bitte. Hier das im Kurs offerierte Amuse-Gueule. Eine Graved Lachsrose mit Senfsauce und Melonenkugel:

Senfsauce für Graved Lachs
Zutaten
für 1 Liter Sauce
280 g Senf, mild
75 g Eigelb, frisch, im Hotel wird pasteurisiertes Eigelb verwendet
80 g Zucker
290 g Rapsöl
140 g Weissweinessig
100 g Johannisbeergelee
50 g Dill frisch
Salz, weisser Pfeffer aus der Mühle
Zubereitung
(1) Senf, Eigelb (Raumtemperatur) und Zucker in einer Schüssel schaumig rühren.
(2) Rapsöl (Raumtemperatur) im feinen Faden mit dem Schwingbesen unter die Masse rühren.
(3) Johannisbeergelee erwärmen, mit dem Schwingbesen gut verrühren, dann mit dem Essig unter die Masse rühren.
(4) gehackten Dill zufügen und abschmecken.
und noch etwas, heute Abend am Schweizer Fernsehen: Aida von Giuseppe Verdi am Rhein, direkt vor meiner Haustüre.
Bin schon auf die restlichen Rezepte gespannt Robert. Solche Kochkurse find ich teilweise persönlich interessanter, da man wirklich alles mitbekommt und die kleinen Feinheiten, die den Unterschied ausmachen, bemerkt.
Tolle Küche -da merkt man erstmal was für ein Aufwand hinter den Kulissen getrieben wird.
Ich würde gerne mal in so einer Küche bei Hochbetrieb einfach nur Mäuschen spielen.
Ich bin auch sehr gespannt! Tolle Erfahrung!
1 Liter Sauce? Da muß ich die Menge wohl reduzieren. 🙂
Ich habe letztes Wochenende einen Bericht über die Charite gesehen, bei dem es auch mehrere Einblicke in den Betrieb der Großküche dort gab. Der von Dir hier gezeigte Stabmixer war da noch einer von der kleineren Sorte. O_O
Ansonsten macht mir Deine Vorstellung das Hotel sehr sympathisch.
Ich staune nur, daß im Sommer keine Hochsaison ist.
Die Senfsauce macht sich sicher sehr gut zu Frau Esskulturs Lachsbagel. 🙂
Nobel, edel, Riesenmengen… 🙂
Und der Name des Chefkochs ist dieses Mal ein anderer, auch gut… FREUdrich ist ein sehr netter Name 🙂
Jeden Buchstaben gelesen, hat sehr gefallen. Die Sauce ist interessant, Johannisbeergelee! Ich sollte mir mehr Mühe machen, solches statt nur Meerrettichschaum.
Der Blick hinter die Kulissen einer Küche ist immer wieder interessant.
Nicht nur zu sehen, was und wie gekocht wird, sondern auch wie wirklich mit Hygiene und Sauberkeit sowie Lebensmittellagerung usw. umgegangen wird.
Bei Dir ergänzen wie üblich die super Fotos den interessant geschriebenen Text – immer wunderbar zu lesen. 🙂
Vorgestern war ich kurz in Basel (viele Baustellen habt Ihr!) und habe an Dich gedacht. Leider war keine freie Minute, ich musste nach meinem Termin gleich weiter.
Thanks for sharing. Very interesting. Mmmhh, I love Gravlax.
Grüsse,
Rosa
Ich liebe diese Grandhotels auch sehr. Es war sicher wunderschön diesen Kurs dort zu machen. Die Senfsauce hat mich (als Hamburgerin) zu Lachs dann sehr überrascht. Mir ist sie sehr viel profaner mit Senf, Honig und Dill bekannt.
Diese hier muß ich mal ausprobieren.
Schöne Reportage. „Niemand schreit herum“ – eine Tugend, die sich in Profiküchen erfreulicherweise immer mehr verbreitet.
@Tina: und man versteht als Gast auch, wenns mal bei Hochbetrieb ein paar Minuten länger dauern kann.
@Alex: Als Mäuschen wird Dich die grosse Käseauswahl begeistern.
@chriesi: kein hochtrabenden Rezepte, alles einfach.
@Nathalie: die Division durch 10 sollte Dir als Mathematikerin leicht fallen 😉
@Hesting: ich habe im Kantonsspital auch schon angefragt, ob ich den Betrieb besichtigen dürfte. War aus Hygienegründen leider nicht möglich.
@Elisabeth: manchen ist die Freude in die Wiege gelegt, andere müssen sie sich hart erarbeiten.
@Houdini: der Johannisbeergelee hat mich erst auch gewundert, bringt aber ein wenig Süsse hinein.
@Suse: der Betrieb gibt pro Jahr etwa 4000 € allein für Klarsichtfolien aus. Da wird laufend etwas abgedeckt.
@Barbara: wo ich wohne hat es keine Baustellen 🙂
@Rosa: Gravlax sollte ich auch mal machen.
@anie’s delight: Senfsaucen dieser Art haben wohl alle deutsche Wurzeln.
@Eline: das hängt wohl vom Küchenchef ab, ob herumgeschrien wird oder nicht.
Was da hinter verschlossenen Türen so passiert, ist schon spannend und von dir prima beschrieben. Ich lese gerade „Hitze“ von Buford… na da ist aber ein bisschen mehr Aktion unter den Mitarbeitern angesagt. Ich finde, dass Professionalität in der Küche nicht bei den Speisen aufhören sollte, sondern auch bei der sozialen Kompetenz und Mitarbeiterführung zum Ausdruck kommen darf.
Wow – diese großen Töpfe und „Massen“, die in so einem Restaurant verarbeitet werden, imponieren mir jedes Mal aufs Neue.
Ich hatte auch schon das ein oder andere Mal die Gelegenheit hinter die Kulissen zu schauen, und war bis dato eigentlich auch immer positiv überrascht, ruhiges und konzentriertes Arbeiten beobachten zu können. Keine Spur von Geschrei, Hektik oder einem unmöglichen Chefkoch. Solche Restaurants besucht man dann auch gern wieder und dann schmeckt das Essen doppelt so gut.
Das war ja dann fast eine Art Bildungsurlaub.
Es hört sich sehr lecker an!
Klasse! Und die Fonds ziehen so vor sich hin. Könnte es zu Hause doch auch so sein…
Arme-Leute-Zutaten gut zubereitet kann sehr gehoben sein 😉 …
Kann man diese Senfsauce eingefrieren? – wäre bei Überraschungsgästen schnell was Schönes, Leckeres … um was für eine Melone handelt es sich bei der Kugel? Man trifft sich dann heute Abend beim Opern anschauen … 🙂
hoi robert.
einmal mehr ein SEHR gelungener beitrag Deinerseits.
schönes wochenende und herzlichen dank!
liebe grüsse
christoph
ps: bin am rinderfonds kochen. der hühnerfonds steht weit oben auf der liste und ich will ihn genau so klar, wie auf Deinem foto.
Verdi habe sich als Verdi, il contadino, der Bauer, bezeichnet. Er hatte eine enge Beziehung zur Landwirtschaft. Hatte er auch eine Beziehung zur Küche ? Weisst du mehr ? Hoffentlich machst du heute gute Aufnahmen von Aida.
Darum beneide ich Dich schon.
@Andreas: Genau ! In einem menschlich gut geführten Betrieb gibt es auch weniger Wechsel und Krankheitsabsenzen.
@daniela: in den Spitzenbetrieben, die Du schon besucht hast, ist konzentriertes Arbeiten noch mehr gefordert als in durchschnittlichen Hotelküchen.
@nina: wenn auch nicht mit akademischem Abschluss 😉
@Claus: schön wärs, aber der Platz.
@Christine: nein, die muss man frisch machen, schon wegen dem Ei. Eine normale Charantaismelone. Ich werde auf der Rheinbrücke stehen und winken 🙂
@Engemann C: Danke !
zu Fonds hätte ich auch noch ein paar gute tipps, ich glaube, die sollte ich mal in eine Fleischreihe einbetten.
@Hunk: Verdi liebte einfaches, bodenständiges Essen. Nachzulesen hier:
http://www.percorsigastronomici.it/percorsienogastronomici/Portale/personaggi.aspx?reg=e&tema=Personaggi&l=V&tipo=&scheda=736
@Freundin: solche Kurse werden inzwischen häufig angeboten, auch in Deutschen Hotels.
Ich beneide Dich schon etwas um die Aida – und gerade war sie aus … danke für den Tipp.
Auf Suppe und Dessert bin ich gespannt, vor allem auf dein Urteil zur Suppe. 😉
In dem Hotel feierten wir letztes Jahr eine Hochzeit und das Essen oder auch der Service war richtig richtig gut. Auch wenn das Hotel auf Fotos beeindruckender aussieht, als ich es in der Realität fand, würden wir immer wieder hinfahren. Schade, dass wir dort nur zum feiern waren und keinen Blick in die Küche werfen konnten.
@the rufus: als Radames hätte ich auch lieber die Aida genommen.
@Evi: kommt.
@Susa: Die Besitzerfamilie hat den Namen Grandhotel schon längst weggelegt und sieht ihren Betrieb als gepflegtes Privat-Hotel, was der Realität näher kommt. Das Grand habe ich zugefügt, weil es mir gefällt.