Küttiger Rüebli

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Die Rüebli, angerichtet

Fährt man von Basel über die Staffelegg nach Aarau, gelangt man kurz vor dem Ziel in ein kleines Dorf, das man entweder achtlos durchfahren, oder in welchem man eine kurze Rast einlegen kann. Hier werden im Spätherbst die berühmten Küttiger (im Dialekt: Chüttiger) Rüebli geerntet, eine alte und robuste Sorte, die Daucus carota L. ssp. sativus (Hoffm.) Schübl. et Mart.. Nicht orange wie die deutschen Möhren, sondern elfenbeinfarben. Die Wurzel läuft konisch aus, schmeckt intensiv aromatisch, besitzt aber nur wenig Süsse.

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Die Rüebli, nicht das Dorf

Küttiger Rüebli sind ein Wintergemüse, sie wurden, wie die Herbstrüben, von den Bauern auch sauer eingemacht. Früher verwendete man sie sogar als Futterrüben für Pferde. Erst 1978, kurz vor dem Verschwinden der alten Sorte, wurden im Dorf Anstrengungen unternommen,  diese einzigartige, lokale Spezies zu erhalten. Unter dem Patronat von Pro Specie Rara werden sie heute wieder angebaut. Das Saatgut wird von den Bäuerinnen im Dorf selbst vermehrt. Ist inzwischen auch anderswo erhältlich. Weil sich die Sorte gern mit Karotten aus der Umgebung kreuzt, ist eine strenge Selektion und viel Fachwissen erforderlich. Erhältlich sind die Küttiger auf dem Markt von Aarau, in Biogärtnereien, selten bei CO.OP unter dem Label Pro Specie Rara. In Deutschland in der Gärtnerei Berg in Binzen.

Zutaten
Beilage für 2 Personen
etwa 600 g Küttiger Rüebli
40 g Schalotte, geschält und fein gehackt
1 Knoblauchzehe, dito
2 Elf. Olivenöl
1-2 dl Gemüsebrühe oder Wasser
1 Schuss Noilly-Prat
Salz, Pfeffer

Zubereitung
Die Rüebli schälen oder schaben und schräg in ca. 2 mm dicke Scheibchen schneiden.
Schalotten in heissem Öl farblos andünsten, Knoblauch zugeben und kurz mitgehen lassen, die Rüebli zugeben, mitdünsen. Ablöschen mit Brühe und einem Schuss Noilly. Würzen. Zugedeckt garen, was je nach Dicke bis zu 30 Minuten dauern kann. Die Aargauer Bauernfrauen von ehemals kannten wohl keinen Noilly Prat, liessen stattdessen etwas Speck in Würfeln mitgehen.

Wir haben dazu Saltimbocca mit Reis gegessen, nicht ganz passend, aber der Tiefkühler musste aufgetaut werden.

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Das Dorf, nicht die Rüebli

Sehenswert ist die Kirche Kirchberg in Küttigen, erstmals im Jahr 1036 erwähnt. Sie befindet sich rund einen Kilometer vom Dorfzentrums entfernt, auf einem Hügelsporn über der Aare. Der Kirchturm ist in romanischen Stil erbaut und stammt noch aus dem Hochmittelalter. Das Kirchenschiff und der Chor hingegen sind beide um 1500 im spätgotischen Stil entstanden. 1851 kam eine kleine Vorhalle hinzu und 1868 wurde der Kirchturm erhöht. Der Schweizer Schriftsteller und Zigarrenraucher Hermann Burger wohnte einige Zeit lang im Pfarrhaus zu Kirchberg. Von ihm stammt das vergriffene Büchlein „Kirchberger Idyllen“, 1980 erschienen in der Collection S. Fischer.

„Tagelang hüllt sich der Kirchberger Hügel im Spätherbst in Nebel,
Aaretalabwärts steigt Flussrauchen auf ins Gebirg…“

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Kirche Kirchberg, Küttigen

11 Kommentare zu „Küttiger Rüebli“

  1. Wenn immer ich bei uns im Coop Küttinger Rüebli sehe, kann ich nicht widerstehen. Die Variante mit Noilly Prat muss ich auch mal versuchen. Hast Du es schon mal mit Vermouth Bianco versucht? Es würde vielleicht die fehlende Süsse der Küttinger Rüebli etwas kompensieren.
    Danke für’s die Idee und liebe Grüsse
    Urs

  2. „Noilly Prat ist die beste Gemüsebrühe“. Wenn ich mich recht erinnere, war dies mal ein Zitat von Dir. Schönen Sonntag!

  3. Vielen Dank für den Tipp mit der Gärtnerei Berg in Binzen. Dort wollte ich schon lange mal vorbeischauen (hab schon von meiner Nachbarin davon gehört). Liegt sogar fast auf meinem Weg zur Arbeit. Da werde ich doch demnächst auf meiner Heimfahrt mal einen Abstecher dorthin machen….
    Ausserdem beginnt ja schon bald wieder die Saatzeit.
    LG
    Karin

  4. @Sybille: in Richtung Karotte.

    @Gottfried: Chüngeli fressen auch diese Rüebli.

    @Urs: Je weniger süss, desto besser. Nein, der Noilly ist mein einziger Vermouth (für Kochzwecke).

    @Buchfink: ich erinnere mich nicht mehr, im Lauf der Jahre kommt vieles zusammen.

    @bee: Teltower habe ich bei uns weder gesehen noch gegessen.

    @Rosa May: if you would have seen the Saltimbocca 😉

    @Karin Schindler: wir habens auch noch nie dorthin geschafft.

  5. Schöne Wurzeln! Schönes Rezept!
    Mich hat genau das „besitzt aber nur wenig Süße“ aufhorchen lassen. Mir sind die Dinge schnell zu süß.

  6. Wir Küttigerinnen schneiden die Rüebli in „Schnifel“, das heisst, man beginnt unten schräg zu schneiden, wie wenn man einen Bleistift mit dem Messer spitzen würde.
    Auf den Rüebli kocht man Salzspeck, einige fügen auch etwas Kümmel bei, und klassisch werden dazu Salzkartoffeln mit einer „Zibeleschweizi“ (gebratene Zwiebelringe) serviert.
    Ich bin übrigens seit April dabei, eine Fotoreportage über die Samenrüebli zu machen, im Moment blühen sie wunderschön.

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