
Ausreise zum Buechibärg hinter Solothurn. Eines dieser hügeligen Täler abseits der Heeresstrassen, in denen die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. Am Dorfeingang von Mühledorf steht eine alte Ölmühle. Ölmühlen zum Pressen der einheimischen, ölhaltigen Saaten und Kerne waren früher in ländlichen Gegenden verbreitet anzutreffen. Während der Kriegsjahre waren manche davon noch in Betrieb. Heute ist es in den Ölmühlen ruhig geworden. Die meisten wurden still gelegt. Die mediterrane Küche hat die Mühlräder zum Schweigen gebracht. Wo zehn Olivenöle unterschiedlicher Provenienz als Statussymbol herumstehen, fehlt der Bedarf für ein einheimisches Öl, das rasch verbraucht werden will. Samstag, 19. Mai 2012 war schweizerischer Mühlentag. Der Tag, an dem Müller Lätt seine alte Öli in Mühledorf wieder einmal in Betrieb nimmt.
Für die Gewinnung von Baumnussöl gibt es verschiedene Verfahren: Einerseits die hydraulische Kaltpressung, die die wertvollen Inhaltsstoffe weitgehend bewahrt. Dann das bäuerlich traditionelle Verfahren der Warmpressung: hier werden die fein zerstossenen Kerne vor dem Pressen leicht angeröstet. Baumnüsse, die ein paar Monate gelagert wurden, sind ergiebiger als direkt nach der Ernte. Ein, zwei Stunden vor Arbeitsbeginn wird der Ofen mit der Röstpfanne befeuert.

Die geschälten Kerne werden zuerst auf einem Kollergang, einer Steinmühle mit einem ausgedienten Getreide-Mühlstein als Reibstein, gemahlen. Während der Stein seine Runden dreht, schiebt der Ölmüller das seitlich herausgeschobene Material mit einem Brettchen laufend wieder unter den Stein, solange, bis das Pulver die gewünschte Feinheit aufweist.

Danach wird das Nusspulver sauber zusammengekratzt und in die beheizte Röstpfanne geschüttet.

In der Röstpfanne dreht ein über Zahnräder angetriebener, vertikaler Stab einen Rührarm, der das Anbrennen des Nussbreies verhindert:
In diesem archaisch anmutenden Röstkessel dreht die Nussmasse etwa 10-15 Minuten und wird dabei auf etwa 80°C erhitzt. Der Zeitpunkt, an welchem die Masse „ling“ ist, muss mit Auge, Nase und Erfahrung erkannt werden.

Ist die Masse geröstet, wird der heisse Nussbrei im Öltuch zu einem Paket verpackt, die Ecken säuberlich übers Kreuz eingeschlagen.

Danach das Paket in die uralte Keilpresse gelegt. Ein kleiner, mit Lochblech ausgeschlagener Hohlraum in einem dicken Holzbalken, nimmt das Pressgut auf.

Der Pressgutpacken wird aufrecht in die Presskammer gestellt, seitlich mit Ausgleichskeilen ergänzt und der schwere Holzkeil eingelegt.

Der Pressdruck erfolgt von der Seite. Nach oben wird das Paket mit einem schweren Holzbalken verschlossen.

Und nun gehts los: das alte Getriebe der Stampfe mit den hölzernen Zahnrädern wird eingekuppelt. Die Wasserkraft dreht eine hölzerne Daumenwelle. Der Daumen ist eine Art auskragender Nocken, der auf der Welle sitzt. Der Nocken hebt bei jeder Umdrehung einen zentnerschweren Press-Stempel, einen dicken, langen Balken, um etwa einen halben Meter nach oben. Auf dem höchsten Punkt der Drehung lässt der hölzerne Daumen den Balken los, dieser fällt und schlägt mit voller Wucht geführt auf den Keil, der durch den seitlichen Druck das Pressgut zusammendrückt und das Öl aus dem Paket laufen lässt. Dieser Stampfvorgang wiederholt sich etwa alle 5 Sekunden, mit jedem Schlag wird der Druck auf das Ölpaket erhöht.

Das kostbare Öl fliesst aus der Presse.

Das Öl muss nach der Pressung vor dem Abfüllen in Flaschen etwa 2 Wochen gelagert werden, damit sich Schwebestoffe setzen können. Kühl, dunkel und trocken aufbewahrt, ist es ein Jahr haltbar. Angebrochene Flaschen werde leicht ranzig, also nur kleine Flaschen lagern. Baumnussöl ist sehr aromatisch, beinahe ein Gewürz, wem es zu dominant schmeckt, kann es mit neutralen Ölen oder Olivenöl verdünnen.
Die beiden Wasserräder der Mühle wurden 1918 durch eine „moderne“ Peltonturbine ersetzt, auf die das Wasser im selben Kanal unterirdisch zugeführt wird. Alle Zahnräder, Achsen und Kupplungsvorrichtungen sind älter und aus Holz.


Müli Max Lätt
CH-4583 Mühledorf
Besichtigung nur nach Vereinbarung: 032 661 10 74
wer eigene Nüsse zu Öl verarbeiten lassen will, dem sei die noch ältere Grabenöli in Lütersdorf empfohlen:
Grabenöli Lütersdorf
Heute, 28. Mai 2012, ist übrigens in Deutschland ebenfalls Mühlentag, der Tag an welchem viele historische Mühlen besichtigt werden können. Mehr dazu hier.
Toller Bericht, sehr starke Fotos. Dass Olivenöl das Ölwesen extrem dominiert ist wohl richtig, andererseits lassen sich mit guter PR zumindest gelegentlich auch andere Begehrlichkeiten wecken – siehe steirisches Kürbiskernöl. Mich hat der Mühlenreport jedenfalls so neugierig gemacht, dass ich schleunigst ein Fläschchen Walnussöl erwerben werde.
Vielen Dank für diesen informativen Bericht und die gigantischen Fotos – sehr gut gelungen. Hoffentlich bleiben solche historischen Mühlen noch lange erhalten und hoffentlich gibt es noch lange genug Leute, die diese am Leben erhalten können.
lieber Robert, du verstehst nicht nur was vom kochen, trinken und essen, du kannnst auch technische hintergruende verstaendlich und dabei noch lustig erklaeren. alle achtung. solche handwerklich gefertigten produkte sind eigentlich unbezahlbar.
Mmmhhh, Baumnussöl schmeckt wundervoll!
Grüsse,
Rosa
Sehr lesenswerter Bericht, begleitet von wunderbaren Fotos! Schön, dass es in Zeiten der industriellen Massen-Produktion noch solche wunderbaren kleinen Inseln kulinarischer Traditionen gibt.
LG Ariane
O – danke! Ich beginne zu ahnen, warum Walnussöl um so viel teurer als Olivenöl ist. Und auch, woran man immer sofort erkennt, ob ein Haus in der Schweiz steht. (An den Schlagläden – die gibt es zwar auch in D, aber nicht in dieser Konzentration.)
Vielen Dank für Deine Reportage! Vor Jahren hätte ich (bei rechtzeitiger Anmeldung) eine alte Ölmühle in Niedersachsen besichtigen können. Jetzt weiß ich, was ich unbedingt nachholen möchte 🙂
Toller Bericht und ganz wunderbare Fotos! Kompliment!
Danke, das war ein Vergnügen, das zu lesen und anzusehn!
Tolle Fotos und sehr anschaulich präsentiert!
Mir wird da ganz anders vor Ehrfrucht vor dem kunsthandwerklichen Können der Vergangenheit. Was so eine Mühle von Schreiner, Schmied und Konsorten abverlangt hat! Da darf man sich ruhig mal fragen, ob die Technisierung nicht auch Verlust von altem Wissen und Können bedeutet.
SEHR beeindruckend!
Ob echtes steirisches Kürbiskernöl auch so ähnlich gemacht wird? muss mich da mal schlau machen.
So ein prasselndes Kaminfeuer sieht übrigens im Winter erwärmender aus 🙂
@Primaroma: leider wird Walnussöl schnell ranzig. Was da in Läden monatelang herumsteht, wird meistens enttäuschen. Bei Walnussöl ist Frische entscheidend.
@Bonjour Alsace: in dieser Hinsicht haben die Mühlenvereine grossen Anteil am Erhalt dieser Zeitzeugen.
@Karine: oh Danke.
@Rosa May: rather a spice than an oil.
@Ariane: Italien ist immer noch gut versehen mit genuss-handwerklichen Betrieben.
@Anglogermantranslations: in dieser Gegend heissen die Schlagläden Fellläden.
@bee: da jedes Jahr ein Mühlentag stattfindet, kann man Verpasstes nachholen.
@Wilde Henne: Danke, wenn nur das Fotografieren in diesen russgeschwärzten Räumen ohne Licht einfacher wäre
@Poliander: ich hatte meinerseits Vergnügen an der Besichtigung.
@Micha: Diese Mühle ist jahrelang stillgestanden, Der Müller hat sie für den Mühlentag vor ein paar Jahren erstmals wieder in Betrieb genommen. Und alles funktionierte noch.
@the rufus: im Prinzip könnte auch Kernöl auf dieselbe Art hergestellt werden. Die meisten Betriebe arbeiten aber heute nach modernen (und schonenderen) Verfahren.
Lieber Robert,
vielen Dank für diesen schönen und hervorragend bebilderten Beitrag! Und vor allem auch für den Hinweis auf den Mühlentag am Pfingstmontag!
Viele Jahre haben wir mit unseren Kindern Fahrrad-Ausfahrten unternommen zu den Windmühlen unserer Umgegend am Pfingstmontag.
Wunderschöne Bilder! Dein Bericht ist sehr interessant! Jetzt weiss ich warum Baumnussöl so teuer ist… ist ja eine wahnsinns Arbeit!
@mlocucMLO: In einer Windmühle war ich noch nie. Leider zu weit weg.
@Pepe Nero: für Demonstrationen sind die Mengen, die man aufs Mal durchlässt, natürlich klein.