
Kaum hat man das Ende der Morchelsaison lauthals angekündigt, locken schon die nächsten Morcheln. Indessen ist das Restaurant de l’Hôtel de ville in Cressier in neue Hände übergegangen. Nach Fredy Girardet und Philippe Rochat hat Benoît Violier die Geschicke dieses Gourmettempels übernommen. (3 Michelin-Sterne, 19 GM).
Monsieur Violier schreibt oder lässt einen Blog schreiben, in welchem über wichtige Ereignisse im Hause berichtet und ab und zu ein Rezept preisgegeben wird. Kürzlich: Simmentaler Kalbskotelett mit Morcheln aus dem Jura. Das pure Vergnügen.
Das Rezept las sich auf den ersten Blick recht einfach, dazu wars auf deutsch geschrieben. Beim genaueren Durchlesen stiess ich auf Ungereimtheiten: so sollte ein schneller Bratenfond gezogen werden, der in der beschriebenen Weise kaum eine geniessbare Sauce ergeben dürfte, dann aber später ohnehin keine Verwendung mehr findet, dafür wird eine Morchel-Rahmsauce dazugereicht. So habe ich mich kurzerhand entschlossen, das Rezept nach eigenen Vorstellungen abzuändern.
Das Resultat war dennoch sehr erfreulich, durchgehend saftiges, gut-schmeckendes Fleisch. Eine Gemüse à la naturelle, diskret mit einem Hauch von frisch angesetztem Knoblauchöl gewürzt.
Benoît Violier: Die Küche muss wieder einfacher werden, damit das grosse Produkt noch viel besser zur Geltung kommt. Denn nur dieses ist wichtig.

Zutaten
für das Fleisch:
1 Kalbskotelett am Stück, ca. 600 g
1 Zwiebel, grob gewürfelt
1 Karotte, grob gewürfelt
5 junge Knoblauchzehen
2 Zweige Rosmarin
1 kleiner Strauss Thymian
Salz und Pfeffer, Fleur de Sel
Erdnussöl, Olivenöl
50 g Butter
für das Morchelgemüse:
150 g Morcheln
1 kleine Schalotte
200 g frische Erbsli, aus den Hülsen gelöst
200 g frische Kefen, entfädelt, in Hälften geschnitten
1 Frühlingszwiebel, das Weisse, entblättert, in Stücke geschnitten
30 g Butter
Knoblauchöl: 2 junge Knoblauchzehen feinst geschnitten mit 20 ml Olivenöl versetzen und zugedeckt 4 Stunden stehen lassen. Täglich frisch ansetzen.
Sauce, für eine Morchelrahmsauce langten die Morcheln nicht mehr:
100 ml Kalbsfond dunkel
Portwein
Madeira
Salz, Pfeffer

Zubereitung
(1) Kalbskotelettbraten in Form binden. Mit Olivenöl und einem Teil der fein gehackten Kräuter einreiben. Über Nacht mit Folie abgedeckt marinieren. Anderntags eine kleine Kasserolle mit den Gemüsewürfeln und dem Rest der Kräuter befüllen. Die Kräuterpartikel vom Braten mit Küchenpapier abwischen. Den Braten allseitig in Erdnussöl braun anbraten, etwa 12 Minuten. Das Öl aus der Pfanne tupfen und den Fond mit etwas Wasser aufkratzen. Das Fleisch salzen, pfeffern und auf das Gemüsebett in der Kasserolle legen. Etwa 1 dl Olivenöl zugeben und im auf 150°C vorgeheizten Ofen mit eingestecktem Temperaturfühler garen, bis die Kern-Temperatur ca. 50°C beträgt. Ca. 30 Minuten. Dann 50 g Butter zugeben, die Ofentemperatur auf 80°C stellen und weitergaren, bis die Kerntemperatur bei knapp 60°C steht. Während dem ganzen Garprozess das Fleisch alle 5 Minuten mit dem Fett übergiessen. Das Fleisch herausnehmen, Ofen auf 60°C stellen und das Fleisch auf einer warmen Keramikplatte mit Alufolie abgedeckt 10-15 Minuten im Ofen ruhen lassen.
(2) Den Bratfond durch ein Seihtuch filtrieren, beinahe zur Trockene eindampfen, je einen Schuss Madeira und Portwein zugeben, nochmals stark reduzieren, dann mit dem Kalbsfond auffüllen. Würzen mit Salz und Pfeffer. Warmstellen.
(3) Morcheln putzen, halbieren, ein paar schöne Exemplare ganz belassen. Die ganzen und halbierten Morcheln nacheinander in kochendem gesalzenen Wasser kurz blanchieren, auf ein Sieb schütten und gut abtropfen lassen. Den Sand aus dem Blanchierwasser durch ein Seihtuch abfiltrieren. Mit dem klaren Blanchierwasser die Gemüse nacheinander nach Gar-erfordernis blanchieren, mit einer Siebkelle herausheben und mit kaltem Wasser spülen.
(4) Die halbierten Morcheln in 20 g frischer Butter anziehen, Erbsen, Kefen und Frühlingszwiebeln zugeben und kurz rührbraten. Salzen und pfeffern und mit 2 Tropfen Knoblauchöl parfumieren.
(5) Die ganzen Morcheln mit einige Blättchen Thymian in wenig frischer Butter anziehen, wenig von der Sauce und 1 Tropfen Knoblauchöl zugeben, aufköcheln.
Finish:
Das aufgeschnittene Fleisch mit fleur de sel und etwas frisch gemahlenem Pfeffer würzen. So schön aufgereihte Erbsen, mit der Pinzette segelförmig aufgestellte Kefen und geometrisch verteilten Mörchelchen kriege ich nicht hin. Dafür kostet das im 3-Sterne-Restaurant einiges mehr.
Erst nachträglich habe ich die Quelle aufgespürt: der in Violiers Blog gezeigte Artikel erschien in einem Boulevardblatt, das sonst auf der Klaviatur von Sex, Verbrechen und menschenverachtender Hatz spielt. Wenn das Blatt künftig seine Ausrichtung auf Küche und Kochen legen möchte, soll mir das recht sein. Ein Schundblatt weniger.
Ich lese schon Sentimentale Kalbskotletts
je suis jalouse….les morilles!
Ich au, aber nit nur uf d‘ Morchle. 😉 Das gseht jetzt wieder dr Hammer us !
Ohhhhh, da möchte man bei Euch mit am Tisch sitzen, solche Köstlichkeiten am frühen Morgen zu sehen. Da kann ich mich nur mit dem Gedanken trösten, dass wir für heute in der Osteria Malakoff reserviert haben.
So scrumptious! That is a marvelous dish. I love the vegetables.
Grüsse,
Rosa
Auch das gefällt mir wieder ausserordentlich gut … und dass Du auch an die Vegetarier denkst finde ich sehr sympathisch von Dir 😉
Liebe Grüsse aus Zürich,
Andy
Find ich gut, hast Du die Chifu nicht so komisch angerichtet wie der Violier. Das ist doch Firlefanz und lenkt vom Wesentlichen ab. Deine Anrichte passt auf jeden viel Fall besser zu Violiers Zitat.
Aber das cheibe Kalbskotelette… donnerwätter, sieht das wunderbar aus. Ich hab noch nie selber eins gemacht, ob ich nicht doch auch mal soll…?!
Awww ich danke für die „Ansicht für Vegetarier“. *knicks*
das der rochat den „kochlöffel abgegeben“ hat wusste ich gar nicht
naja, der neue ist ja auch ein Meister.
Dein Kalbskotellette schaut für mich GROSSARTIG aus!!!
schon die farbe und der glanz der sauce – spetacular.
die bratkruste – herllich
und das gemüse – einfach toll !!
ich galube, ich verstehe was der VB mit dieser aussage meint:
ich bin zwar der meinug dass die molekulare küche eine wichtige rolle in der kochkunstgeschichte war (provokativ! „war“ – ich sagte schon vor 2 jahren dass diese kochkunstzeit nun stirbt) denn es war das erste mal dass köche und wissenschaftler gemeinsam waren und prozesse analysierten.
für mich ist es klar: die kügelchen und die zusatzstoffe (die ich bei der industrie „anprangere“) will ich auch nicht verwenden! vorallm nicht um nahrungsmittel so zu verändern dass sie nicht mehr mit einem oder mehreren sinnen erkennbar sind.
bleiben wird aus meiner sicht dass neu erworbene wissen, und dessen einbau in die klassische kochtechnik. es wird einiges verändern, aber es wird das grundprodukt unterstüzen und zeigen.
also einfacher werden, im sinne von weniger verwandlung.
und wenn ich mich täusche, was seine aussage bedeutet – dann glaube ich trotzem, meine sicht hat auch eine berechtigung 😉
lg
albino
btw,
hatte ich schon gesagt? das kalbstkotelette und alles auf dem teller schaun GROSSARTIG aus 😀
@Tina: Gefühlsausbruch heisst im Französischen nicht umsonst explosion de sentiments.
@Bolliskitchen: À partir du printemps prochain…
@Basler Dybli: wenn das Fleisch gut ist, kann auch ich Fleisch braten 🙂
@Ti saluto Ticino: Lass mir das Tiramisù all’Arancia grüssen. Ist uns mittlerweile zu weit entfernt.
@Rosa May: I will eat the meat for you 😉
@Lieberlecker: als Beinahe-Vegetarier verliert man dese schon nicht aus den Augen.
@WildeHenne: mit dem Kalbskotelett hatte ich Glück. Meister Schluraff hat mirs persönlich abgeschnitten, vom durchzogenen Teil. Ehrlich, ich wollte die Chefen zuerst mit der Pinzette schön hindressieren, genauso wie auf dem Bildchen. Habs aber wegen dem üblichen Anrichte-Stress sein lassen (müssen).
@ankelilli: Danke, immer schön tapfer sein, es kommt auch wieder Anderes.
@Albino: der Neue macht ja auch Kochkurse für Laien und Profis, die sind mir aber zu anspruchsvoll (und zu teuer) und dann noch auf französisch. Du hast vermutlich Recht mit Deiner Interpretation. Wo die neuen Techniken Hand in Hand einhergehen mit dem Ziel, das Produkt im besten Lichte zu präsentieren, ist das legitim. Wo sie nur um des Effektes willen benutzt werden, werden sie wieder verschwinden.
Danke für das Lob, wie schon gesagt kriegte ich ein schönes Stück Fleisch, das ist selten.
Du meinst also, dass ich ohne Morchel etwas verpasse?
Das zartrosa Fleisch, die schoene dunkle Sauce und das knackige Gemuese – nur die Morcheln verpassen den letzten Schliff?
Fein, die Morcheln – aber auch das Fleisch, denke ich 😉
@Micha: nein, Morcheln brauchts nicht. Die Morcheln veredeln ein gutes Gericht nur.
@the rufus: richtig erraten !
Das sieht wieder sehr „anmächelig“ aus! Bei dir sehen auch die Erbsli und die Kefen so richtig schön knackig frisch aus! Sind die aus dem eigenen Garten? Ein sehr schönes Rezept!
Ich habe da mal gelesen, Fleisch sei schwierig zu fotografieren – dann bist du ein echter Künstler, denn dieses Kalbkotelett sieht so Genial rosa und saftig aus, die Sauce dazu kräftig und aromatisch, überhapt liest sich das Rezept toll, dass ich am liebsten in den Bildschirm beissen möchte. Immer wieder schön hier!
LG, Claudia
@Pepe Nero: blanchieren stabilisiert das Grün. Nein, mein Pflanzblätz beträgt nur 2 Quadratmeter
@Claudia: solange sich das Fleisch ruhig hält, ist das fotografieren einfach. Danke für die Erinnerung mit dem Messer 😉
Messer ist immer parat! 😉 Verrätst du mir, mit welchem Objektiv und welcher Einstellung dir das so gut gelungen ist?
Carl Zeiss Vario Sonnar 16-80, mein Allzweck Objektiv. Küchenbeleuchtung von oben, etwas Sonnenlicht von vorne. Farbtemperatur 2800k, Farbfilter M3. Damit fotogrfiere ich alles in der Küche, mal besser meist schlechter.