Tafelspitz mit Pearà Veronese und Bärlauch-Salsa Verde

Ermordung des Alboin (Bild: wiki)

Letztes Winterrückzugsgefecht in diesem Frühling. Ein Stellvertreterkrieg, ausgetragen auf einem Tafelspitz. Sauce gegen Sauce. Winter gegen Frühling, Alt gegen jung. Braun gegen Grün. Als Kontrahenten lasse ich antreten:

als Wintersauce die Pearà Veronese. Eine altehrwürdige Veroneser Sauce mit über 1000-jähriger Tradition, die gerne an den Festtagen zu Fleischplatten gereicht wird. Aus Rindermark und Brotbröseln mit Fleischbrühe zu einer hellbraunen Sauce gekocht und mit viel schwarzem Pfeffer gewürzt. Der venezianische Name Pearà bedeutet soviel wie pepata, gepfeffert.

als Frühlingssauce eine Salsa verde all’aglio orsino mit ordentlich Bärlauch drin. Der grüne Frühling in jugendlicher Frische.

Die Salsa Pearà kannte ich zuvor nicht, sie wurde mir von einer Leserin aus Italien dringlich empfohlen (una salsa squisito !). Der Legende nach soll der Erfinder der Sauce der Koch des Langobardenkönigs Alboin († 28. Juni 572) sein. Alboin erschlug den König der Gepiden, Kunimund, und heiratete dessen Tochter Rosamunde. Aus des ermordeten Schädel liess er sich ein Trinkgefäss fertigen und hiess seine Gemahlin daraus trinken. Verzweifelt lehnte sie dieses ungeheurliche Ansinnen ab, ass und trank nichts mehr, bis ihr der Koch des Königs zur Stärkung ein Gericht mit dieser Salsa gab. Die Sauce wirkte, Rosamunde genas, schwor Rache und ermordete mit ihrem Liebhaber den grausamen König. In der Folge teilte sich das Reich in den langobardischen Norden, die Herzogtümer der Mitte und den byzantinischen Süden, eine Trennung, die, Garibaldi hin oder her, bis heute anhält. Lasst euch die schauerliche Geschichte der schönen Rosamunde von Nonna Bruna [ital.] erzählen, während sie ihre Pearà zubereitet.

Salsa Pearà

siehe auch hier: Pearà-Website

30 g Knochenmark vom Rind (1 mittlerer Knochen)
15 g Butter
ca. 80 g selbstgemachte Brotbrösel aus trockengeröstetem Parisettebrot
etwa ¼ L heisse Rinderbrühe
ein Schuss Olivenöl
1-2 Elf. frisch geriebener Parmesan
Salz, viel schwarzer Pfeffer (L.: normaler und tasmanischer)

Salsa Péarà 2013 04 14_0090
Rindermark schmelzen

Zubereitung
(1) Das Markbein 2-3 Minuten in kochendem Salzwasser blanchieren, das Mark herausnehmen, fein hacken und mit der Butter in einem Pfännchen auf mittlerer Hitze schmelzen lassen. Sobald sich die Butter zu bräunen beginnt und gut duftet, vom Feuer ziehen und durch ein Sieb in einen Topf giessen.
(2) Die Brotbrösel unter Rühren hinzustreuen bis das Fett aufgenommen ist. Dann unter Rühren die heisse, frische Rinderbrühe angiessen, bis eine homogene Sauce, Konsistenz etwa wie Apfelmus, entstanden ist. Auf kleinstem Feuer etwa eine Stunde leise vor sich hin simmern lassen. Hin und wieder umrühren. Bei Bedarf Brühe nachgiessen.
(3) Danach mit viel schwarzem Pfeffer (die Sauce schluckt viel davon) würzen und nochmals eine Viertelstunde köcheln. Salzen und heiss servieren.

Salsa verde all’aglio orsino

Zutaten
3 geschälte, junge Knoblauchzehen
1 Bund glatte Petersilie
20 g Bärlauch, junge Blättchen
4 Sardellenfilets
1 Scheibe Weissbrot ohne Rinde
1/2 grüne Chilischote, ohne Kerne
ca. 12 Salzkapern, gespült
1 weich gekochtes Eigelb
8 Blätter Minze
1 Bund Schnittlauch
ca. 80 ml Olivenöl extra
Salz

Zubereitung
Alle Zutaten hacken und mit Olivenöl im Cutter zu einer dicken, homogenen Sauce mixen.

Bleibt uns noch der Tafelspitz, nach bewährtem Rezept gekocht.

Tafelspitz

Salsa Péarà 2013 04 14_0096
oben links die Salsa Pearà, rechts die Salsa Verde

Zutaten
Fleisch für 4-5 Personen
800 g Rindstafelspitz mit Fettdeckel
1 Scheibe Kalbsfuss
2 Kalbsknochen
1-2 Elf. Olivenöl
2 kleine Schalotten, ungeschält halbiert
1/2 kleine Stange Lauch
2 Stangen Staudensellerie
2 Karotten
1 Lorbeerblatt
2 junge Knoblauchzehen
1 kleiner Zweig Thymian
6 zerdrückte Wacholderbeeren
6 zerdrückte Pfefferkörner
ca. 10 zerdrückte Senfkörner
1 kleine Gewürznelke
6 zerdrückte Pimentkörner
2 Petersilienstiele
Muskatnuss
Pfeffer
Salz

Zubereitung
(1) Knochen in kochendem Salzwasser blanchieren, abspülen, trocknen.
(2) Tafelspitz und Knochen in wenig Olivenöl bei milder Hitze rundum anbraten bis sie Farbe angenommen haben. Herausnehmen. Öl abtupfen. Anbraten gibt der Brühe Aroma und hilft mit, sie klar zu halten.
(3) 2.5 L Wasser zum Kochen bringen, Tafelspitz und Knochen dazugeben, schwach salzen, Temperatur drosseln, so dass die Brühe schwach simmert (90°C).
(4) die halbierten Schalotten, die Gewürze und die Hälfte der grob gewürfelten Gemüse beifügen. Total 3 Stunden unbedeckt leise simmern. Nicht mit dem Kochlöffel in der Brühe rumrammeln, damit Trübungsverursachende Proteinpartikel aggregieren können. Hin und wieder den Schaum abschöpfen, damit man sich Brühe für die Pearàsauce abschöpfen kann.
(5) Nach 2.5 Stunden Garzeit die restliche Hälfte der Gemüse hinzugeben.
(6) 5 Minuten vor Garzeitende die Petersilienstiele zugeben. Mit Salz, Pfeffer und Muskatnuss nachwürzen.

Servieren mit einem Kännchen heisser Brühe zum befeuchten des Fleisches, mit den kurz gegarten Gemüseteilen und Schnittlauchkartöffelchen. Und den beiden Saucen!

Salsa Péarà 2013 04 14_0093

Unterschiedlicher können Saucen nicht schmecken.
Die Pearàsauce schmeckt ausgezeichnet, obwohl sie ernährungsphysiologisch nicht mehr in die heutige Zeit passt. Cremig, deftig, nach Brot und brauner Butter, nach Rindermark, Pfeffer und Brühe. Trotz beachtlicher Mengen an Pfeffer nicht mal besonders scharf, der pfeffrige Wärmeschub verbreitet sich erst nach und nach im ganzen Körper: rote Backen, rote Ohren, warme Füsse. Eine typische Wintersauce, wenn der Wind ums Haus pfeift und die Schneeflocken tanzen. Frau L. mangelte es an Säure. Sie wusste sich aber zu helfen 😉
Die Bärlauchsauce hingegen schmeckt, wie sie immer schmeckt: Grün. Passend zum ersten Frühlingstag. Jedenfalls ein nachvollziehbarer Grund, mich für Wochen aus der Blogroll zu verbannen 😉

Falls hier noch jemand mitliest: Mit der Ermordung des Alboin ist die Geschichte noch lange nicht zu Ende. Rosamunde heiratete ihren Geliebten, der vergeblich versuchte, sich die Königswürde zu usurpieren. Sie flohen aus Verona zum byzantinischen Präfekten Longinus nach Ravenna, nicht ohne den langobardischen Königsschatz mitzunehmen. Dort bedrängte Longinus die schöne Rosamunde, ihren Komplizen und Geliebten aus dem Weg zu räumen und ihn zu heiraten. Die Aussicht, Herrin Ravennas zu werden, liess sie zum Giftbecher greifen. Als ihr Ex-Geliebter das Gift verspürte, zwang er sie, den Becher leer zu trinken. Beide tot. Da sage mir einer, Geschichte habe nichts mit Kochen zu tun !

Quelle: wiki & wiki

26 Kommentare zu „Tafelspitz mit Pearà Veronese und Bärlauch-Salsa Verde“

  1. Unmodern, klassisch, cremig. Ziehe ich vor. Kalorien zählen beim Essen mag ich überhaupt nicht. Aber diese Schauergeschichte! Uh! Fehlte nur noch, dass der eine dem anderen einen Kopf mit Sauce auf einem schönen Bleiteller präsentiert…

  2. Was dir zu einem Gericht immer alles an Schleifen und Kurven durch die Weltgeschichte dazu einfällt. Würdest du das alles beim Essen erzählen, würde ich möglicherweise das Kauen vergessen.

    Ist das ein freudsches Tiefblicken, dass ein Rezept mit Bärlauch in der Vergiftung endet ;O)?

    Achja, und Tafelspitz finde ich ein sehr schönes, leichtes, frühlingshaftes Essen. Das behalte ich mir im Hinterkopf!

  3. Trotz meines ziemlich stark ausgeprägten Kindheitstraumas „Tafelspitz“ , würde ich deines doch glatt probieren. Hätte ich nie gedacht, dass ich das mal sage……ist also das größte Lob überhaupt :-)! Frag nicht wie’s zu dem Trauma gekommen ist………! LG Anne

  4. Wunderbar geschrieben, Wissenswertes und Appetitanregendes. Und am besten gefällt mir die Zubereitungsart….nicht so in der Brühe herumrammeln….. Du könntest aus Thüringen sein 🙂

  5. Eine Sauce, Frauen zu Massenmeuchelmörderinnen macht? Ich äääh… nehme die Salsa Verde 😉

  6. E Fyyrwärg vo Kombinatione – zwei verschiedeni Biilage und die Vergliich mit dr Gschicht, zämme mit de beide Soose. Meischterhaft !
    P.S. I ha grad daas mit de verschiedene Tafelspitzrezäpt vo dir us dr Vergangeheit mitenander vergliche. S‘ isch sehr interessant gsi. Was nümme, was ney, etc.

  7. Ich liebe, liebe, liebe Tafelspitz – und habe bis jetzt immer ganz brav Schnittlauch-Eier-Sauce und Apfelkren dazu gegessen, wie es mir mein Wiener Stiefmama gekocht und beigebracht hat…befürchte, ich werde sie mit der grünen salsa zu tode erschrecken müssen, das hört sich so was von lecker an….;-)

  8. Nicht umsonst gab es früher die Vorkoster…. und ich würde wohl der Jahreszeit entsprechend, die Bärlauchsauce wählen, die mörderische dann eher im Winter.

  9. Ich nehme bitte einmal mit beiden Saucen. Diese „altmodischen“ Zubereitungen mit Mark, die liebe ich total. Und ein bisschen Bärlauch kommt im Frühling auch recht.

  10. Ich konnte ja nur die erste Hälfte des Posts lesen, die aber mit Genuss. Ich hoffe, ich habe nichts verpasst.

  11. @Sugarprincess: die Sache mit dem Kopf begab sich 500 Jahre vorher 😉

    @highfoodality: nein, über das Veneto besitze ich weder Bücher noch habe ich links, ich recherchiere für jedes Gericht im Internet.

    @Micha: mir fällt normalerweise gar nichts ein, aber wenn man mir ein dankbares Thema zuwirft, fang ich es auf.

    @Überall & Nirgendwo: wir alle leiden wohl unter irgendwelchen Traumata. Aber die Zeit heilt beinahe alle.

    @Petra Hermann: in Thüringen war ich leider noch nie.

    @bee: auf Männer wirkt die Sauce ganz anders.

    @Basler Dybli: Vorsicht mit Vergleichen. Manchmal vergesse ich bloss eine Zutat, ändern tue ich sowieso jedesmal etwas, oft ohne tiefere Begründung.

    .@Die Wüste & Ich: Schnittlauch-Eier-Sauce liest sich auch wunderbar. Und das am persischen Golf.

    @Rosa Mayland: however, the pearà is much more interesting !

    @ninivepisces: jede Sauce wartet auf ihre L… günstige Gelegenheit.

    @magentratzer: sagte ich mir auch, wenn sich der Winter nicht feslegen kann, ob er noch bleiben oder gehen soll, will ich mich auch nicht entscheiden.

    @Magdi: gewiss, das Mittelalter war in dieser Hinsicht noch nicht so wählerisch.

    @Michale: doch, ein grosser Hupf bis an das Ende zum Rest der Geschichte.

  12. Hier ist eh wieder Winter seit ein paar Stunden, vor Kalorien fürchte ich mich wirklich nicht, also werde ich deine Sauce mit dem Mark nachkochen.
    Verrätst du mir, was Parisettebrot ist?

  13. Das wäre doch mal ein neues Thema für einen Event der etwas anderen Art. Mörderische Essen! Wow! Das wäre doch hoch spannend. 😉
    Sieger wäre das jenige Rezept mit den meisten Toten?

  14. Bei Mark werde ich irgendwie zum Tier. Gut, dass das hier niemand mag. Und noch besser, dass mich mein Metzger liebt, so sehr, dass der mir immer meist 6 bis 7 Markknochen schenkt. Und dann kenn‘ ich nix mehr… gut dass in der Regel niemand sieht, wie ich Markbeine schlürfe. Ich mache das lautstark, aber im Verborgenen.
    Deine Sauce gefällt mir, da könnte ich dann mal zivilisiert am Tisch Mark essen, ohne dass der Hühnerstall vor Ekel in Ohnmacht fälllt. 😉

    1. Hmm, zerscht sich für dr Markgnòche mit em Andy duelliere. Und do au scho Aasprüch aamälde … 😉
      Hallo, au i lieb Markgnòche. Am Liebschte diräggt als „Os à moelle grillés à la fleur de sel“.

  15. Whoa. Ein ganz wunderbares Essen, ich hätte auch gerne bitte beide Saucen! Wenn ich mich entscheiden müsste, hätte ich wahrscheinlich aber noch lieber die mit Mark 😉 Die ist vorgemerkt, aber wohl eher für Herbst.

  16. @Andy: kommt auf die Definition von „Gescheit“ an 😉

    @Turbohausfrau: so heissen hier die Pariserbrotstangen. Also Weissbrot.

    @Gunnar: gewiss, aber solche events sind kaum mehrheitsfähig, finden keine Sponsoren und werden deshalb auch nicht durchgeführt.

    @Wilde Henne: gottseidank ist BSE hierzulande überwunden 🙂 in Saucenform wird sie auch vom Hühnerstall gegessen.

    @Britta: hier ist ja noch immer kalt wie im Herbst. ber wohl nicht mehr lange.

  17. Heute gabs Cotechino cotto di Sardegna mit salsa pearà und salsa verde so richtig den Temperaturen entsprechend. Herzlichen Dank für den Film und die Rezepte. Grüsse aus Winterthur

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.