Vacherin Mont d’Or. Kartoffeln. Senf. Wenn einer meint, das Raclette sei schon längst erfunden, so irrt sich der. Im Buch Eleven Madison Park des in Schinznach im Aargau aufgewachsenen Daniel Humm (3 Michelin-Sterne in New York) wird ein Vacherin Mont d’Or mit Kartoffeln präsentiert, aber mit was für Kartoffeln ! Senf-marinierte, confierte-Kartöffelchen zum Niederknien !
Erst in Würzöl 90 Minuten lang confiert, dann in einer Marinade aus aufkonzentriertem Hühnerfond, Senf und Essig über Nacht mariniert. Frau L. wunderte sich, dass ich einen halben Tag in der Küche werkle, nur um die paar mickrigen Kartöffelchen gar zu kriegen. Sie hätte dazu keine 10 Minuten gebraucht. So ist das halt mit kochenden Männern und ihren Frauen. Aber nach dem ersten Teller nickte sie mir zu. Wunderbar. Einfach wunderbar. Verlangt unbedingt nach Wiederholung.

Zutaten
für 2 Personen und 4 Teller
450 g kleinste Drillinge oder Rattes, Stück für Stück handerlesen, etwa 60 Stück
1 dl Olivenöl (D. Humm badet seine 160 Kartöffelchen für 8 Personen in einem Liter Öl)
1 Knoblauchzehe, gequetscht
1 Thymianzweig
1 Elf. Fleur de Sel
800 ml Hühnerbrühe (mein bester Geflügelfond, druckgegart, der immer noch darauf wartet, gepostet zu werden)
1 Elf. grober Körnersenf
1 Elf. weisser Balsamessig (Gölles)
1 Handvoll Silberzwiebeln (aus dem Glas)
noch mehr vom weissen Balsamessig
noch mehr Körnersenf
Schwarzer Pfeffer aus der Mühle
und ein paar grüne Senf- oder andere Blättchen
1 Mini Vacherin Mont d’Or
Zubereitung
(1) Backofen auf 135°C vorheizen. Die gewaschenen, abgetrockneten Kartöffelchen mit dem Olivenöl, Salz, Thymian und Knoblauch in einer Auflaufform mischen und zugedeckt [15.10: während ca. 90 Minuten] in den Ofen stellen. Alle 15 Minuten die Kartoffeln im Öl wenden, (wer die Kartoffeln mit Öl bedeckt, kann sich das sparen). Kartoffeln im Öl auf Raumtemperatur erkalten lassen. Öl abgiessen (nicht verwerfen) und die Kartoffeln schälen. 60 Stück. Viel Vergnügen. Zu meinem Erstaunen sind sie nicht zu Brei zerkocht, noch sehr fest, aber gar. Danach wieder ins Öl geben, um antrocknen zu verhindern.
(2) Inzwischen die Hühnerbrühe in einer flachen Pfanne auf 10% herunterreduzieren (auf ca. 80 ml) mit dem Senf und dem Essig mischen, mit Fleur de Sel nachwürzen.
(3) Die abgetropften Kartoffeln in diese Marinade legen und über Nacht im Kühlschrank marinieren -der Fond geliert-.
(4) Silberzwiebeln gibt es bei uns auf dem Markt keine mehr. Nehmen wir halt eine Handvoll aus einem Glas, schütten den scharfen Industrieessig ab, bedecken die Zwiebelchen mit weissem Balsamessig und lassen das Glas über Nacht im Kühlschrank „umsäuern“.
am Tag danach:
(5) Den Vacherin 2 Stunden vorher aus dem Kühlschrank nehmen. Später 4 Teller vorwärmen. Backofengrill auf 200°C vorwärmen.
(6) Die confierten Kartöffelchen mit den abgetropften Silberzwiebeln im Topf kurz aufköcheln. Davon je 2-3 Elf. auf zwei Teller schöpfen. 2 Elf. Vacherin drauflöffeln und kurz unter den Grill legen.
Herausnehmen, etwas Körnersenf und die Blättchen dazulegen. Schwarzen Pfeffer drüber mahlen.
Auch wenn ich mit der Menge des Olivenöls und den Silbezwiebeln etwas geschummelt habe. Auch wenn bei meinen Kartöffelchen der Käse nicht dran haften bleiben wollte (ich hätte sie nach dem Aufwärmen auf einem Küchenpapier abtrocknen sollen): grandios, was der Herr Humm da kocht.
อร่อยมาก > arooi maak ! 🙂
Beschti Griess
Endlich mal ein standesgemäßer Einsatz für meinen hausgemachten Senf 😉
Ob sich das für`s Silvesteressen durchsetzen kann? Ein Anwärter wäre es jedenfalls.
Fantastisch and lecker!
Grüsse,
Rosa
Ich hätte dir BESTIMMT auch zugenickt beim Essen 🙂
Das sieht so boshaft lecker aus. 😉 Allein die Bilder haben mich schon angefüttert, ohne dass ich ein Wort lesen musste. Zum Niederknieen. Und das vor dem ersten Kaffee. 😉
Da schmelze ich schon beim Lesen dahin- auch wenn ich mich beim Genuß sehr zurückhalten müßte….
An Deinem Geflügelfond bin ich sehr interessiert… Die Kartöffelchen… hören sich sehr, sehr fein an. Allerdings hab ich eine Frage, bevor ich 160 Kartöffelchen erst in Öl lege und danach mühevoll schäle: Warum schält man sie nicht zuerst? Oder vielleicht könnte man Bio-Drillinge nehmen und die Schale dran lassen? Liebe Grüsse aus dem total verregneten Kraichgau… Yushka
Das ist ziemlich unglaublich. Ich bin schwer beeindruckt! Allerdings steht zwischen mir und der Durchführung des Rezepts der Mont d’Or. Wenn ich den so richtig schön perfekt gereift bekomme, dann kann ich mich nie überwinden, den auch noch zu erhitzen. Auch wenn ich weiß, dass das ja eigentlich so gehört…
Dieses staunenswerte Gericht müsste „Gebet an eine Kartoffel“ heißen und mit einem zum Messwein zugelassenen Prädikatswein gereicht werden, wahlweise mit einer Kanne Assam Tonganagaon SFTGFOP. So wird der trübste Herbsttag heiter.
Anbetungswürdig. Wenn man bloß nicht so viele Kartoffeln schälen müßte….
@Basler Dybli: aha, dem Regenwetter geflohen, schöne Ferien !
@bee: die Frage, wer nun wen adelt, wäre noch zu lösen 😉
@SchnickSchnackSchnuck: sind die Kartoffeln mal in der Marinade, gibts nicht mehr viel Arbeit. Nur für grössere Tischrunden möchte ich die vielen Kartöffelchen nicht schälen wollen.
@Rosa Mayland: that certain something
@Micha: bei älteren Ehepaaren brauchts nicht viele Worte.
@Rabin: damit hat sich der Kauf des (teuren) Buches für mich schon gelohnt.
@ninivepisces: zurückhalten ? Kartoffeln machen nicht dick 🙂
@Sugarprincess: im ersten Schritt, dem confieren, wird den Kartoffeln durch das Salz Wasser entzogen. Ob man das gleich mit geschälten machen könnte, weiss ich nicht. Im zweiten Schritt, dem marinieren, sollte die Schale schon weg sein, damit der Geschmack der Marinade besser eindringen kann. Auch hier regnet es Bindfäden.
@nata: wenn er perfekt reif ist (ich kaufe immer kurz vor dem Verfalldatum) braucht er kaum Hitze, um zu schmelzen, ein paar Sekunden unter dem Grill reichen.
@Poliander: wir hatten den Aargauer Staatswein 2013 dazu, sowie Hagebuttentee ADBT (aus dem Beutel)
@Magentratzerl: die Haut liess sich wenigstens gut abschälen.
@Robert- es liegt mehr am gereiften Käse, den nimmt mir mein Organismus in größeren Mengen übel, weswegen ich leider Käsefondue und Raclette aus meinem persönlichen Speiseplan verbannen mußte….
ja, die Histamine, Mit dem falschen Wein zusammen kann das für Empfindliche schon störend sein.
Habe ich das richtig verstanden: die Kartoffeln sich nicht geschält nur gewaschen und getrocknet.?
Vacherin steht auf meiner nächsten Wunschliste von der schweizer Verwandtschaft. Ich liebe Kartoffeln, Käse und Raclette!!!!
Jetzt bin ich aber wild entschlossen, das mal für _eine_ Portion auszuprobieren, allein schon, um meinen Senf dazugeben zu können. Die Pellerei hält sich dann in Grenzen.
Ja, da nicke ich auch, ganz heftig. Das ist eine wunderbare Idee.
Was macht die mittelose Bayovarin, die hinter den Bergen sozusagen keinen Zugriff auf schweizerischen Vacherin , sondern nur Almkäse , hat? Welcher Käse würde sich als Alternative für solche Fälle, wie ich einer bin, anbieten, um annähernd in den besagten Genuß zu gelangen?
Ich knie mich daneben. 😉
Aber woher bekomme ich Kartoffeln, die nur 7,5 g pro Stück wiegen? Vom dem Vacherin mal ganz zu schweigen..
Grandios, was der Herr Humm sich ausgedacht hat – grandios, was die Frau L. da geniessen darf. Ich klatsche begeistert Beifall 🙂
Liebe Grüsse aus Zürich,
Andy
Robert, ich lese schon seit vielen Jahren Deinen Blog…ich habe noch NIEEE in einem einzigen Post von Dir gleichzeitig die Worte „Niederknien“ und mehrmals „wunderbar“ gelesen…. Das schreit nach Nachmachen. Am Samstag wird Vacherin gekauft!
Also Robert, Dein Raclette samt Luxuskartöffelchen in allen Ehren, es geht doch nichts über das Raclette im Restaurant Aroleid in Zermatt, wo der Käse noch am offenen Holzfeuer erwärmt und abgestrichen wird, dazu die besten Kartoffeln der Welt, die in kleiner Menge oben am Schwarzsee wachsen, dem höchste Kartoffelanbaugebiet in Europa 😉
@Magdi: ja, richtig, geschält werden sie erst nach dem confieren in Öl.
@anglogermantranslations: Körnersenf, bitte, nicht irgendwelchen 😉
@Elena M-S: Ich bin zwar keine mittellose Bajuwarin und kenne nur Allgäuer Emmentalerscheibletten aus deutschen Hotel-Frühstücksbuffets, aber ich würde mal im Tölzer Käseladen nach französischem Vacherin Mont d’Or nachfragen. Die versenden auch und sonst sinds 80 km.
@Die Kartöffelchen habe ich in Silberzwiebelgrösse aus einer Steige mit Rattes in meinem Warenhaus herausgelesen. Auf dem Markt geht das ja nicht.
@lieberlecker: Danke !
@Bonjour Alsace: meine Rezepte sind ja auch zum Lesen. Nicht zum nachkochen. 🙂
@Kochbuch für Max und Moritz: Der Schatten des Matterhorns, das Licht des flackernden Feuers und das urtümliche Abstreifen des Käses veredelt jedes Raclette. Das müsste man zuhause nüchtern überprüfen mit einem gewöhnlichen Racletteöfeli, einem Foto des Matterhorns an der Wand und einer brennenden Kerze 😉
Oh my god! Da gehen einem beim Lesen wirklich die Knie zu Boden. Endlich hat das weihnachtliche oder silvestrige Standardraclette eine neue Dimension…
Das verkaufe ich meinen Damen nie und nimmer als Raclette – die stellen sich eindeutig was anderes vor…
Ölige Erdäpfel abschälen – igitt und glitschig.
Irgendwann einmal wird der Hype um das Confieren hoffentlich ein Ende haben, oder es artet derartig aus, dass man vom Frühstück bis zum Abendessen alle Zutaten nur mehr in einen Öltopf wirft. Herrlich confiertes Müsli, confierte Kaffeebohnen, confiertes Obst, confierte Semmeln, confierte Ente – DANN sattle ich sofort zur Olivenbäurin um.
Man möge mir meinen launig gehaltenen öligen Kommentar verzeihen. 😉
Meine Neugier habe ich befriedigt. Mein Fazit: Ich stimme Frau L. doppelt zu. Ich habe genickt, weil das Resultat durchaus genießbar war, fand aber auch, dass 10 Minuten auf konventionelle Art Kochen genügt hätten, da man den Aufwand gar nicht herausschmecken kann. Wie gut, dass mir Backofen und Kühlschrank den größten Teil der Arbeit abgenommen haben und ich nur eine Portion statt 60 Drillinge verwurstet habe … ;-). Kann es sein, dass rohe Kartoffeln das Aroma überzeugender aufgesogen hätten? Nein, die Probe mache ich jetzt nicht aufs Exempel.
@Kathrin: ein weiterer Freiheitsgrad im Raum der festtäglichen Essen.
@Rufus: Balletschuherl brauchts aber keine.
@entegut: warum nicht gleich, dann wüsste ich, woher ich mein Olivenöl künftig beziehe 😉 Und Küchenpapier brauche ich eh eine Rolle pro Tag.
@anglogermantranslations: ich habe mir Käsenachschub besorgt und Rattes. Probieren wirs doch einfach aus.
Schönes Gericht! Ich werde es nachkochen. Trotzdem eine Frage: Wenn die confierten, geschälten und abgekühlten Kartoffeln wiederum ins Öl gelegt werden, kann dann die Marinade noch wirksam einziehen? Wäre es nicht besser die geschälten Kartoffeln gleich in die Marinade zu legen?
Robert, das tönt unglaublich lecker. Frage: wie lange sollen die Härdöpfel in Öl konfieren? Alle 15 min wenden (oder auch nicht), klar, aber wie lange steht nirgens, oder hab ich das übersehen? Oder schlicht bis gar? (und wie lang dauert das bei 135°C etwa, damit man eine Idee hat?)
@Crazycook: aus meiner Sicht ja. ich glaube, dass die das in einem grossen Restaurant einfach so machen, damit die Kartoffeln nicht austrocknen.
@lalipuna: Steht im Einleitungstext: 90 Minuten. In der Zubereitung hab ichs vergessen zu erwähnen.
Danke für die Klarstellung, hab ich in der Einleitung glatt überlesen.
Ich koche das heute mal nach. Bericht folgt nachher. Confiert sind die Kartoffeln schon und auch mariniert … 🙂
Ergebnis war sehr gut, schmeckt hervorragend. Deine Fotos sind jedoch eindeutig besser. Aufgrund dessen, dass ich nur eine kleine hitzefeste Auflaufform habe, wurde das Ganze bei mir dann doch eher ein Gratin. Guckst Du: http://www.nudelheissundhos.de/2013/11/08/confierte-kartoffeln-mit-vacharin-mont-dor-und-grobem-koernersenf/