Doerrbohnen

Lob der Doerrbohnen

Doerrbohnen

Eine Lanze brechen will ich für Dörrbohnen. Eine alte Metapher für ein altes Produkt. Hülsenfrüchte waren früher für einen Grossteil unserer Bevölkerung der hauptsächliche Eiweisslieferant ihrer Alltagsnahrung. Fleisch konnte sich die einfache Bevölkerung nicht leisten. Konserven waren teuer. Kühlschrank, Tiefkühler fanden erst in neuerer Zeit Verbreitung.  So suchte man sich Gemüse durch Dörren haltbar zu machen. Die vor 70 Jahren aufkommenden, neuen Konservierungsverfahren und das zunehmend ganzjährige Angebot an frischem Gemüse führten indes zum Niedergang des Dörrens. Dörrbetriebe musste schliessen. Dörrbohnen gerieten in städtischen Gegenden in Vergessenheit. Die Grossverteiler entdeckten China als Billiglieferanten. Chinesische Ware schmeckt zwar schlecht: was niemand essen will, darf aber ruhig ungeniessbar sein. Übrig geblieben sind noch ein paar wenige Lohndörrereien, die für zumeist bäuerlich-ländlichen Eigenbedarf trocknen, sowie private Gartenbesitzer, die mit Hilfe eines Haushalt-Dörr-Gerätes ihre Gartenüberschüsse trocknen. Und doch ist ein langsames Umdenken im Gange. Sogar die Grossverteiler bieten inzwischen wieder einheimische Dörrbohnen an.

Zufällig las ich in einer Publikation der Bio-Suisse über die Auszeichnung, die einem Kleinunternehmer aus dem Luzerner Hinterland für seine luftgetrockneten Dörrbohnen verliehen wurde. Da wir immer noch an der vorletztjährigen, braunen, zähen Ware eines andern Bioherstellers kauen, haben uns, als Dörrbohnen-Liebhaber, zarte Dörrbohnen interessiert. Nichts wie hin. Nach etwas Suchen -Schilder gibts keine-, fanden wir den kleinen Hof GrÜnboden von Urs Frühauf. Hier steht die alte Maschine, die zum coupieren der Bohnenenden gebraucht wird. Auf Initiative von Urs Frühauf pflanzen seit 2006 Biobauern der Region  für den GrÜnboden die alte pro specie rara-Bohnensorte Victoire an.

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Im Arbeitsraum steht der Blanchierkessel und der Trog zum abschrecken der erwellten Bohnen.  Blanchiert wird einerseits, um die grüne Farbe zu stabilisieren, andererseits, damit die Bohnen zart bleiben. Der ganze Raum ist erfüllt vom Duft der trocknenden Bohnen im Dörrapparat. Eine Sonderanfertigung, die mit know-how aus der Technologie der Heutrocknung gebaut wurde.

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Während die meisten Dörrbetriebe ihre Ware durch Hitze trocknen (bis 60°C sind üblich), erfolgt im Betrieb Grünboden die Trocknung in einem Warmluftgebläsekanal bei 35°C während rund 20 Stunden. Denn das Geheimnis der zarten Bohnen liegt in der schonenden Langsamkeit der Trocknung. Dabei verlieren die Bohnen rund 90% ihres ursprünglichen Gewichtes. Interessant ist, dass der Prozess bei grosser Hitze nur wenig schneller geht. Das liegt an der Behinderung des Feuchtigkeitsaustausches durch das zu rasche ausdorren der äussern Bohnenhaut. Clever angewandte Physik !

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Hier die Bezugsquelle:
BioManufaktur Grünboden, www.gruenboden.ch, CH-6264 Pfaffnau.

Ich kriege für diesen Bericht weder vom GrÜnhof noch von einer Agentur Geld oder Sachwerte). Ich nenne die Adresse, um ein gutes, förderungswürdiges Produkt (noch) bekannt(er) zu machen.

Dörrbohnen kennt man hier vor allem als Beilage zu Fleischgerichten, etwa zu Berner Platte, Schinken oder Saucisson. Wintergerichte, die immer nach dem gleichen Rezept (einweichen in Wasser, andünsten mit Zwiebel, Knoblauch und Gewürzen und anschliessendes weichkochen) zubereitet werden. Oft langweilig. Oft fad. Ideenlos.

Doerrbohnen


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Endlich wieder gute, zarte Dörrbohnen ! Dazu bereite ich erst ein klassisches, italienisches soffritto zu, lösche mit Gemüsebrühe ab, und koche darin die Bohnen weich. Als i-Tüpfelchen werden zum Schluss teilconfierte Tomatenfilets untergemischt. Das gibt frische Säure und etwa Farbe in die feldgrauen Bohnen.

Zutaten
für 2 Personen als Beilage
40 g Dörrbohnen, über Nacht in kaltem Wasser eingeweicht
1 kleine Schalotte, fein geschnitten
1 kleine Karotte, in feinste Würfelchen geschnitten
1 Scheibe Knollensellerie, in feinste Würfelchen geschnitten
1 Knoblauch, fein geschnitten
1 Peperoncino, in feinste Würfelchen geschniten
2-3 dl Gemüsebrühe oder Geflügelbrühe
3 Zweige Berg-Bohnenkraut (sarriette)
Olivenöl
Salz, schwarzer Pfeffer
3 Tomaten

Zubereitung
(1) Bohnen über Nacht einweichen. Einweich-Wasser abgiessen.
(2) Die Tomaten schälen, vierteln und Kerne und und Gelee entfernen. Die Filets salzen und 1 h bei 100°C Umluft trocknen.
(3) Schalottenwürfel in Olivenöl glasig andünsten, Knoblauch- und Peperoncinowürfel zugeben, kurz mitdünsten, Karotten- und Selleriewürfelchen zugeben und langsam anbraten. Dann mit Brühe ablöschen. Die Blättchen vom Bohnenkraut zugeben und würzen mit Salz und Pfeffer. Dörrbohnen schlucken Salz.
(4) Bohnen dazugeben, die Bohnen sollen knapp bedeckt sein, und ca. ca. 45 min. erst zugedeckt, dann offen leise köcheln, bis die Bohnen weich sind und der Bohnenfond stark reduziert ist.
(5) Die Tomatenfilets in Streifen schneiden und gegen Schluss untermischen. Abschmecken.

Dazu meine Hauspolenta. Neu mit Rauchsalz zur Imitation einer am offenen Holzfeuer gerührten Polenta.

Polenta

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Zutaten
70 g Polenta (Bramata, grobkörnig)
350 ml Milch/Gemüsebrühe salzfrei (1:1)
Rahm
Maldon-Rauchsalz, Pfeffer und Muskat

Zubereitung
(1) Ofen auf 95°C aufheizen.
(2) Milch und Gemüsebrühe in einem ofenfesten Topf aufkochen. Grobes Maisgriess unter ständigem Rühren einrieseln lassen und während etwa 5 Minuten zu einem homogenen Brei kochen. Würzen.
(3) Gut schliessenden Deckel auflegen und den Topf für ca. 40 Minuten in den Ofen stellen. Während dieser Zeit zweimal umrühren.
(4) Vor dem servieren nach Bedarf Rahm unterrühren, nachwürzen.

Nicht-Vegetarier dürfen dem Soffrito noch feine Speckwürfel zufügen sowie einen guten Brasato dazu geniessen.
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In Deutschland scheint man Dörrbohnen kaum zu kennen. Dass man Gutes nicht in der weiten Ferne suchen muss, hat indes Herr Paulsen schon vor mir entdeckt. Das wird übrigens nicht mein letztes Dörrbohnenrezept sein, das hier erscheinen wird. Ich hab mich eingedeckt.

48 Kommentare zu „Lob der Doerrbohnen“

  1. 150% nach meinem Geschmack, wie meine Frau sagen würde. An Dörrbohnen erinnere ich mich sehr gut aus der Kindheit. Wir hatten zuhause nie welche, weil Mama die eigenen Bohnen sterilisierte. Ich erinnere mich an 27 grosse Gläser im Keller, die Mutter stolz mehrfach erwähnte. Dörrbohnen gab es im Militär, und ich fand sie zum K…, ungeniessbar. Viel später, vor vielleicht gegen 10 Jahren, kaufte ich aus Neugier Dörrbohnen, vielleicht sogar beim Türken, bin aber nicht sicher. Jedenfalls fand ich den Geschmack sehr interessant, im positiven Sinne, so komplett anders als frische oder sterilisierte, und ich mochte ihn.

    1. Ja, und zum Rauchsalz noch mein Senf:
      Ich machte einmal selbst Holzkohleöl nach Ferran Adrià. Der Geschmack war toll, wirklich wie bei gegrillten oder geräuchten Nahrungsmitteln, zB mit Zucchini ergaben sich in der Pfanne wunderbar gegrillte Zucchini, allerdings ohne Muster. Ich fand dann aber, „künstlichen“ Rauchgeschmack müsse ich nicht mehr haben. So würde ich heute für die Polenta halt ein Lagerfeuer anfachen oder ein Rustico im Tessin mieten, falls sie nach Holzfeuer riechen sollte.

      1. wenn ich das nächste Mal im Gärtchen ein Feuer entfache, will ich Eiswürfel in einen grossen Metalltrichter legen und das laufend schmelzende Rauch-Wasser irgendwie seitlich in einen Behälter ausleiten.

  2. Fast kein Sonntagsausflug … und doch ist es einer. Du triffst die Sache (mit den qualitativ ungenügenden Dörrbohnen) wieder einmal exakt auf den Punkt. Als ebenfalls bekennender Dörrbohnen Junkie bin ich Dir auf jeden Fall zu grossem Dank verpflichtet 🙂
    Einen genussvollen Sonntag wünscht,
    Andy

  3. Einen Schwung Buschbohnen werde ich noch ernten können – und die landen dieses Mal auf dem Dörrautomat. Dank dir. Dörrbohnen waren mir nicht bekannt – weder je gegessen, noch je über ein Rezept gestolpert. Das ist nun Vergangenheit.

  4. Was für ein Zufall! Wir sind seit einigen Tagen am „Bohnenspitzen“ und unser Dörrex zuckelt im Dauerbetrieb. Und danke, endlich kann ich meinem DB-Junkie und GöGa das ultimative Rezept gegen zähe Dörrbohnen um die Ohren schlagen: Der kann jeweils kaum warten… Und dabei kann es nur die Ruhe bringen, in der liegt die Kraft und das Aroma und die Herrlichkeit, Amen!

  5. E Vollträffer !
    Meh isch derzue nit z‘ saage. Als Binggis het’s dehai im Winter immer wiider emol Dèèrboone mit Wurschtigem, an Wiehnachte sogar mit Gräuchtem gä. Derzue Salzhärdèpfel. Dangge fiir die wärtvolli Adrässe und di interessante Bricht wo mi sehr an mini Jugendjoohr erinneret.

  6. Als Liebhaber der Dörrbohne bin ich begeistert von diesem Bericht und werde mit Sicherheit den Weg nach Pfaffnau finden. Danke vielmals für diesen Beitrag.

  7. Ich als Norddeutsche habe tatsächlich noch niemals von Dörrbohnen gehört (habe allerdings noch wage einen älteren Artikel von dir dazu im Hinterkopf). Ob ich wohl je in den Genuss kommen werde? Dieser Urlaub wird nicht in die Schweiz führen…
    Und das Rauchsalz, ist es selbst geräuchert oder gekauft?

  8. Tatsächlich sind gedörrte grüne Bohnen hier so gut wie unbekannt, nebst Erbsen und Linsen bekommt man fast nur runde Bohnengewächse. Allerdings weiß ich aus der Generation meiner Großeltern, dass Busch- und Strauchbohnen viel angebaut und dann eingeweckt wurden; ich erinnere mich an die hohen Glasflaschen und muss sie als Kind wohl auch selbst noch in den Wintermonaten gegessen haben.

    1. In Deutschland pflegte man eher das „einwecken“. Wir hatten früher auch unsere „Bülacher-Gläser“. Gibts leider nicht mehr. Das Dörren hat hier aber eine lange Tradition: Apfelringli, Birnenschnitze, Gemüse. Die wurde auch während des 2. Weltkrieges durch den Staat mit der Unterstützung von Gemeinschatsdörranlage gefördert.

  9. Herzlichen Dank für die Adresse. Dörrbohnen sind eine Delikatesse, sofern sie – wie halt immer – von höchster Qualität sind!
    Ein kleiner „hint“ zum Rauchsalz.
    Probiert einmal das von „Halen Mon“ aus Wales! Das ist noch ein Quantensprung besser als dasjenige von Malden.

      1. Halen Mon hab ich in irgendeinem Laden schon gesehen. Kann ich nächstesmal beschaffen. Eichenrauch aus Eichenlaub ? Woher hast Du das ?

  10. Kennst Du die hellgelben Butterbohnen? Die habe ich kürzlich in getrockneter Form auf dem Samschtig-Märit in Bern gekauft. Sie sind – wie die frischen – sehr zart, dadurch rascher gar und behalten ihre schöne Farbe. Sehr empfehlenswert!

    1. klar, das sind die feinsten. Da sie frisch zart gelb sind, gibts auch nichts zu verfärben. Eigentlich ein enaheliegende Idee, hab ich aber noch nirgends gesehen. Muss halt mal auf den Berner Märit.

  11. Dörrbohnen habe ich dank dir erst kennengelernt – bisher waren mir lediglich die ähnlich wie Sauerkraut hergestellten milchsauervergorenen Salzbohnen bekannt.

  12. Diverse Halen Mon Salzsorten gibt es im Salzlädeli Schweizerhalle. Das Gute liegt so nah. 🙂 Bei mir läuft der Dörrer fast ununterbrochen, allerdings nur mit anderem Gemüse bestückt, die Bohnen wollten dieses Jahr nicht so recht.
    P.S. Wir decken uns immer in Nenzlingen beim Dorfplatz ein.

  13. Ja, aber warum JETZT Dörrbohnen, wo grüne Bohnen doch tonnenweise in unseren Gärten reifen? Im Moment ist absolut Saison für Frischware!

  14. – und schon wieder etwas Neues kennengelernt… – „Sind die Dörrbohnen auch, außer auf dem Markt, sonst irgendwo zu erwerben?“
    fragt die Birgit aus dem hohen Norden Deutschlands .
    ♥ Liebe Grüße

  15. Danke für diesen informativen Blogeintrag! Auch hier in Nordbaden kennt man keine Dörrbohnen. Die traditionelle Haltbarmachung hier war die milchsaure Vergärung im Steinguttopf –> saure Bohnen. Aber die Dörrbohnen würden mich echt auch mal interessieren.

  16. Dörrbohnen gibt es nur in der Schweiz. Als ich vor vielen Jahren die Beschreibung meines schweizer Dörrapparates durchlas und zu den Dörrbohnen stieß, musste ich schmunzeln. Sowas kann nur den Schweizern einfallen 🙂 Bohnen „wecken“ ist allerdings die größere Prozedur, das kann ich aus eigener Erfahrung sagen. Blanchieren und einfrieren ist heutzutage die einfachste Methode, meiner Meinung nach.

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