Banale Alltagsküche. Gewiss. Je mehr andernorts ganze Menus sternetauglich getrimmt werden, desto bescheidener wird unser Essen. Wenn auch unser Alltags-Essen bescheidener wird, die Ansprüche an die Qualität der Lebensmittel und Zubereitungsarten bleiben. Seit der famosen Quiche Lorraine nach Anne-Sophie Pic bin ich immer noch im Besitz einer angebrochenen Flasche Savora Senfsauce. Statt die klassischen Brüsseler-Schinkenrollen mit Béchamelsauce zuzudecken, aromatisiere ich sie mit einer Sauce aus geschmolzenem Stracchinokäse, dem Unvergleichlichen, abgeschmeckt mit Savora Senf. Dieser kleine Eingriff macht aus den sonst eher langweiligen Rollen eine delikate Speise. So gut, dass ich dafür die bronzene Ehrenmedaille der Organisation belgischer Produzenten von Brüsseler Endivien verdient hätte oder meinetwegen eine Einladung des belgischen Königs zu einem Galadiner, noch lieber ein Wochenende für Zwei in Brügge. Ohne belgischen König. Aber die lesen meinen Blog ja nicht. Und was soll ich überhaupt in Belgien 😉 ? Ich nehme die Medaille .
Einfach machte es mir der Stracchino nicht. Der Käse verträgt sich nicht mit dem Senf. Bei meinen ersten Versuchen mischte ich entweder Rahm, Eigelb oder Crème fraîche in den Käse zu dessen Verflüssigung, die Sauce gerann aber im heissen Ofen meist körnig-grisselig. Ein Problem, an dem ich den halben Winter über zu kauen hatte. Versuche mit Maizena und Käseschmelzen, wie bei einem Käsefondue, endeten mit einer Art Filata-Mozzarella-Gummi-Käse. Nach zahllosen Versuchen gelang es mir, durch die Reduktion der Senfmenge und Strecken des Stracchino mit Philadelphia-Frischkäse die Grissel-Tendenz des Stracchino in den Griff zu kriegen. Ein Danke an Frau L., die tapfer auch die misslungenen Versuche aufessen half.

Zutaten
Vollmahlzeit für 2
3 Brüsseler Endivien
ca. 50 ml Gemüsebrühe
Spritzer Zitronensaft
1 Elf. Butter
1 Prise Zucker
Salz
6 grosse, dünne Scheiben gekochter Schinken
60 g Stracchinokäse aus dem Latium (eine Viertel Packung)
60 g Philadephia-Frischkäse
Salz, weisser Pfeffer
20 g Savora Senfsauce für die Käse-Sauce plus 1/2 Tlf. pro Chicon-Hälfte
Zubereitung
(1) Chicoree waschen und die äußeren Blätter entfernen. Längs halbieren. Wurzelansatz V-förmig wegschneiden. Butter in einer weiten Pfanne erhitzen und den Chicoree, Anschnitt nach unten, andünsten, bis die Butter und die Schnittflächen hellbraun werden. Mit Gemüsebrühe und dem Zitronensaft ablöschen, würzen und den Chicoree bei geschlossenem Deckel ca. 5-8 Minuten schmoren lassen. Anschliessend den Chicoree auf einem Sieb abtropfen lassen und ihn dann zwischen Küchenpapier sanft ausdrücken, damit er beim Backen nicht mehr saftet.
(2) Inzwischen den Stracchino und den Philadelphia in einem Wasserbad bei ca. 50°C schmelzen und mit dem Rührblitz glattrühren. Danach den Savorasenf unterrühren.
(3) Die Anschnittseite der Chicoreehälften mit je einem Tlf. Savora-Senf einstreichen, pfeffern und mit je einer Tranche Schinken umwickeln. In eine gebutterte, ofenfeste Form legen.
(4) Die Käse-Senf-Sauce über die Rollen giessen.
(5) ca. 10-13 Minuten bei 190°C im vorgeheizten Ofen (Grill/Umluft) überbacken.
Stracchino verläuft in der Hitze, der Amerikaner kaum. Stracchino grisselt mit dem Senf, der Amerikaner nicht. Stracchino schmeckt leicht natursäuerlich. Der Amerikaner nach Zitronensäure und Johannisbrotmehl. Die Mischung zu gleichen Teilen balanciert Vorteile und Nachteile beide Käse aus.
Die Savora-Senfsauce muss für dieses Rezept sein. Inzwischen ist meine Senf-Flasche leer geworden, aber der Nachschub aus Frankreich steht bereits in der Küche. Wer dem Bächlein beharrlich nachgeht, der kommt zum Brunnen.
Wie schön dass dein Experimentiergeist so hartnäckig war, nun kann ich auf das perfekte Rezept für den geliebten Chicoree zurückgreifen. Bloß woher ich Stracchino kriege….
Käse-Béchamel geht auch. Wenn Du nur den Senf hast.
Amerikaner weiß, was Phase ist 😉
hmmm…. mit Ausnahme der Politiker.
Das könnte mich dazu bringen mal wieder Schinken zu kaufen. Mannmannmann macht mich dieses Medaillen-Essen glüstrig! Mein Glas Savora Senf ist übrigens ebenfalls fast leer – weil Béchamel und Blumenkohl bei uns noch hoch im Kurs stehen… etwas höher schlägt der allerdings mit einem Löffelchen Savora aus.
Also wirklich, ich schaue nochmals auf eure Teller: Einfachheit in Perfektion! Nur wie ersetze ich den Stracchino? Reblochon?
Reblochon, kaum. Stracchino ist ein mild-säuerlicher Frischkäse. Dann eher Béchamel mit Käse. Darauf bist Du ja eh schon gekommen. Sonst benutze ich den Stracchino gerne als Ersatz für die Béchamel, mit einem Eigelb gebunden, damit der Käse nicht zu dünnflüssig wird.
Lieber Robert,
danke für dieses wunderbare Rezept – ist bei einem Chemieprofi wie Dir der Einsatz so banaler Hilfsmittel wie Natriumzitrat (http://modernistcuisine.com/2013/05/science-helps-craft-the-perfect-mac-and-cheese/) verfemt? Es könnte das Problem doch m.E. wesentlich vereinfachen…. 😉
Herzliche Grüße,
Steffen
zu Beginn dachte ich auch an den Einsatz von Schmelzsalzen. Aber ich mag nicht noch mehr Leser vergraulen.
neid, neid, neid-
die schweiz scheint ja ein kulinarisches schlaraffenland zu sein, wenigstens in den städten
hier geht es oft nach dem motto: man nehme was man hat, das ist dann halt eine andere art von herausforderung
noch zu belgien:
kriegt man dort nicht auch schokolade (von brillanten red ich ja eh nicht)
Aus dieser Herausforderung (man nimmt was man hat) entstehen kreative Gerichte. Nicht aus dem Überfluss. Die belgischen Chocolatiers sind berühmt, wir essen mit Lindt & Co halt das, was wir haben 🙂
aha, da ist ja die von dir angekündigte weitere Verwendungsmöglichkeit für den Senf. Danke, dass du so unermüdlich experimentiert hast, nun können wir davon profitieren.
Hab den Stracchino eben auch mit Eigelb gebunden, dann wird er nicht so dünnflüssig, und damit Artischocken überbacken.
Deinen Durchhaltewillen sollte ich mir zum Vorbild nehmen. Aber ob die beste Ehefrau von allen so tapfer wäre wie Frau L.? 😉
Liebe Grüsse aus Zürich,
Andy
Beharrlichkeit kann auch Ausdruck mangelnder Intelligenz sein 😉
Was bei Dir aber bekanntlich auszuschliessen ist 🙂
Ich verneige mich tief vor so viel Hartnäckigkeit! 🙂
Floptimisten geben nie auf.
Jeder Foodblogger sollte eine tapfere Frau L. an der Seite haben.
einmal in der Woche gibts als Belohnung für die Tapferkeit Tomatenspaghetti
Lieber Küchenchef ich glaube etwas mit dem Text hat sich verändert.(“ Einfach machte es mir der Stracchino nicht. Der Käse verträgt sich nicht“.)? und auch im unteren Textteil hat es eine Stelle, die sicher nicht so sein soll! („den Chicoree auf einem Sieb abtropfen lassen und ihn dann wischen Küchenpapier sanft ausdrücken“) Nüt für Unguet und än schöne Tag. Freundliche Grüsse Beat Caluori
Danke für das fehlende (z)-wischen. Sonst fehlt mir nichts. Möglich, dass der Mobile-Browser den Text innerhalb des
Großartig, vielen Dank!
Lange her, dass ich die einfachste Variante davon mal gemacht habe. Und die Auflaufformen sind auch sehr hübsch – sind das Gusseiserne?
Ja, alte aus der Eisengiesserei von Roll, als man sich dort noch mit Gusseisen beschäftigte.
Ach Robert, immer stellst Du Dein Licht so unter den Scheffel.
ich scheue das Licht, bin lieber im Dunkeln.
Ich bin am sabbern wegen des Rezeptes. Habe auch noch einen kleinen Rest von dem köstlichen Savora-Senf. Jetzt weiß ich, was ich damit anfange. Lecker. Danke für das Rezept
Sehr lecker…
Trotzdem eine Frage: Hat die Chemie im Philadelphia Vorteile bei der Zubereitung? (Es ist ja im eigentlichen Sinne kein natürlicher Frischkäse…)
Das Johannisbrotkernmehl im Philadelphia verdickt diesen Käse derart, dass er nicht mehr schmilzt. Im Gemisch mit dem dünnflüssigen werdenden Stracchino gleicht sich das aus. Dass er das Grisseln des Stracchino hemmt, glaube ich nicht, das ist eher ein Verdünnungseffekt.