Auch wenn man nicht zu den Menschen gehört, die bei jedem warmen Sonnenstrahl in Sonnenanbetungseuphorie verfallen, so sind bei mir am Ende des Winters Anzeichen von Kohlstarre, Glühweinfrösteln und Wurzelmüdigkeit nicht zu übersehen. Mein Widerstand gegen Treibhausware schmilzt im Für und Wider zwischen warmen Sonnenstrahlen und Bodenfrost weg. Kompromissvorschlag: Wintergratin mit Treibhausrot und Frühlingsgrün. Einfache Küche, meiner Situation angemessen.
Artischockengratin
Zutaten und Zubereitung
Gratin:
4 mittlere Artischocken, (L.: Spinosi oder Romanesco oder kalabrische wie im Headerbild)
Zitronensaft
200 g Datterinitomätchen
Thymian, getrocknet
Olivenöl mit Zitrone
Puderzucker
Fleur de Sel
1 Handvoll piemontesische Haselnüsse
Schnelle Sauerrahm-Béarnaise:
20 g Schalotten, fein gehackt
5 getrocknete Estragonblättchen
10 ml Estragonessig
6 Pfefferkörner zerdrückt
80 ml Weisswein
2 kleine Eigelb
80 g Butter
1 TL Dijon-Senf
100 g Saurer Halbrahm, Créme fraîche, 15% Fett
Salz
weisser Kampotpfeffer
1 TL Zitronensaft
Cayennepfeffer
(1) Artischocken putzen, rüsten, längs vierteln und in Zitronenwasser einlegen. Stiele bis aufs helle Mark schälen und dazugeben.
(2) Tomätchen mit einem scharfen Messer anritzen und in kochendem Wasser ca. 30 Sek blanchieren, Haut abziehen. Tomätchen mit wenig Zitronenöl mischen, mit Puderzucker leicht bestäuben, salzen und mit Thymian würzen. 90 Minuten bei 95°C im Ofen (Umluft) confieren.
(3) Haselnüsse bei 180°C kurz im Ofen rösten und in einem Frottéetuch enthäuten.
(4) Artischocken im Dämpftopf 4 Minuten vorgaren. Viertel nochmals halbieren. Stiele in Scheiben schneiden. Artischocken in Küchenpapier leicht ausdrücken und mit den Tomätchen in eine passende Gratinform schichten. Salzen und Pfeffern. Mit gehackten Haselnüssen bestreuen.
(5) Die gefüllte Gratinform zum Aufwärmen in den kalten Ofen schieben. Ofen (Umluft) auf 190°C aufheizen. Sobald die Ofentemperatur erreicht ist, die Form wieder herausnehmen.
(6) Indessen Schalotten, Estragonblättchen und Estragonessig, Pfeffer und Weisswein aufkochen und langsam auf etwa 30 ml einköcheln, in einen Mixbecher absieben, etwas abkühlen, die Eigelb zugeben und mit dem Stabmixer schaumig mixen.
(7) Butter in einem kleinen Topf klären, sprudelnd zum Kochen bringen, das Eiweiss abschäumen und die Butter bei hochtourig laufendem Mixstab unter die Eimasse mixen. Senf und Crème fraîche untermixen, mit Salz, Pfeffer, Zitronensaft und einer Spur Cayenne abschmecken.
(8) Den zuvor angewärmten Gratin mit der Sauerrahm-Béarnaise übergiessen und im Ofen ca. 10 Minuten bei 190°C überbacken.
Wie schöpft man Gratin auf einen Teller? Portionenförmchen wären zum Servieren besser geeignet, aber ich hab nur Dessertförmchen und kaufe mir keinen neuen Hausrat mehr. Nie mehr. Nie nicht. Nie 😉
Lieber Robert Sprenger, man sollte vermeiden, „nie nicht“ und schon gar nicht „nie“ sagen oder schreiben! Vor allem dann nicht, wenn sich Tante B in seiner Kartei befindet. Danke für das schöne Rezept.
Einen schönen Sonntag wünscht
Ulf Böhme
im Prinzip ja, doch solange ich immer wieder Hintertürchen und Gründe finde….
Sag niemals nie… 😉
der Satz gilt nur für Männer die James heissen.
Salut Robert, Kohlstarre, Gülhweinfrösteln und Wurzelmüdigkeit gefallen mir als Wörter um ‚Ende März‘ zu beschreiben noch fast besser als dieses schöne Rezept. Danke für beides. Herzlich Bea
… dann häng ich die Kochschürze an den Nagel und versuche mein Glück als Schriftsteller. Ein Hungerleider mehr 🙂
Schöner kann man das Ende des allgemeinen Fröstelns nicht beschreiben. Ich finde den aufgeschöpften Gratin sehr malerisch. Und was das NIE angeht…Da wäre ich schon sehr vorsichtig, besonders bei zweifacher oder gar dreifacher Verneinung. 🙂 Klärt mich mal jemand auf, um wen es bei besagter Tante B an Zulieferungsutensil eigentlich geht oder ist das ein Insider für Schweizer? Herzlich, Sunni
Die fiktive Tante B. heisst Betty Bossy, gehört heute zum COOP-Konzern und vertreibt neben brochierten Kochbüchern im Stil „wie koche ich Kartoffelsalat?“ nützliche und oft unnütze Erfindungen, Gerätschaften, Häxler, Dosen, Tubenhalter, Spätzlesiebe, Lochbleche, Bratpfannen, die anzeigen, wenn die Pfanne heiss ist und so weiter, damit uns Hausfrauen das Leben (nie) nicht langweilig wird und wir unsere Familien mit hübsch dekoriertem Essen erfreuen dürfen. Und wenn kein Platz mehr vorhanden, wirft man das Zeug weg oder bestellt sich Ordnungsboxen. Selbstverständlich jene der Tante B. und sind damit aller Sorgen enthoben.
OK. Vielen Dank, nun bin ich Insider. Das ist sowas wie Tu.pp.ER oder so, wo man aus unerfindlichen Gründen Dinge kauft, um sie dann entweder nicht zu verwenden oder stets nur eines von 2 notwendigen Teilen zu finden. Neulich warf ich im hohen Bogen 14 Deckel von irgendwas weg, das ich meinte, nie gekauft zu haben. Ordnungsboxen? Aber bitte nur mit Marie K.`s Anleitung. Liebe Grüße!
14 Deckel weggeworfen?, hoffentlich unter Verbeugungen und Danksagungen für die geleisteten Dienste 🙂
😱einfache küche? wo ? aber kleine gratinförmchen hätte ich😃! eine schöne frühlingswoche 👋🏼❤️🐝🐶
bei mir wirkt halt auch das Einfache kompliziert 🙂 Heute Mittwoch Schneeregen auf den Jurahöhen. Nichts mit Frühlingsblust.
Ausprobiert und für sehr gut empfunden 😉 „Einfach“ ist das Rezept aber nach unserem Empfinden nicht … ein paar Tomätchen für 90 Minuten zu konfieren geht nicht mal schnell so. Vorschlag für Leute die das einfache lieben: man nehme anstatt frischer Artischocken solche aus dem Glas. Das hat den Vorteil dass man den Dampfkocher nicht benötigt und auch keine schwarzen Finger bekommt vom Rüsten desselbigen. Die Tomätchen schmecken auch wenn sie ohne 90 Minütiges konfieren dem Gratin beigefügt werden, schmecken dann halt eifach nicht so intensiv.
Als Variante könnte ich mir das Rezept auch mit blanchiertem Cardi gut vorstellen.
Einfachheit hat nur wenig mit Zeitbedarf und Sorgfaltzu tun. Die Tomätchen sind rasch geschält und sind sie im Ofen, brauchen sie praktisch keine Aufsicht mehr. Ohne störende Haut. Dafür mit mehr Geschmack, was den wässrigen Wintertomätchen gut tut. Artischocken aus dem Glas stelle ich mir weich vor, hab noch nie welche gegessen. Die dünnen Silikonhandschuhe leisten beim Rüsten gute Dienste. Aber Kardy ja, hab noch welche. Nur Thomy Hollandaise muss nicht sein, aber das war meine Vereinfachungs-Idee 🙂