Mandilli di Seta und etwas Halbwissenschaft

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Eine wenig bekannte Spezialität Liguriens sind Mandilli di seta: hauchdünne Pastatücher, mit Basilikumpesto serviert. Mandilli di seta (im Dialekt: Mandilli di saea) sind Seidentaschentücher, für deren Herstellung die Stadt Genua seit dem Mittelalter bekannt ist. Der Begriff Mandilli stammt ursprünglich aus dem Arabischen منديل (mandiil), gelangte von dort nach Spanien, Frankreich (alt-Fr. mandil) und Italien (lat. mantile) und steht für ein kurzes Tuch.
Wie herrlich doch allereinfachste Gerichte schmecken können. Dafür lasse ich mit Freuden 5 Gänge eines miniportionierenden Sternekochs stehen. Nur Lasagneplatten aus der Fabrik kann man gleich vergessen. Diese pasta muss man selber auswalzen.

Zutaten
für den Pastateig (ein weicher Ravioliteig):
120 g Weissmehl
30 g Hartweizendunst (Semolina di grano duro rimacinato)
1 Ei
2 Eigelb und evtl. noch wenig Eiweiss
1 Elf. Olivenöl
Prise Salz

für den Basilikumpesto:
50 g Basilikumblätter
2 Elf. leicht geröstete Pinienkerne
2 zerdrückte Knoblauchzehen
1 dl kalt gepresstes, ligurisches Olivenöl (L.: südfranzösisches)
30 g geriebener Parmesan
20 g Pecorino
1/2 Elf. Fleur de sel
schwarzer Pfeffer

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Zubereitung
für den pastateig:
(1) nach diesem Rezept: Ravioliteig. 1 Stunde, in Folie eingewickelt, kühl stellen. Dann bis auf die drittfeinste Stufe der pastamaschine herunter auswalzen. Die Teigplatte mit Folie zugedeckt sich entspannen lassen, dann weiter auswalzen auf die feinste Stufe.  Also bis dahin, wo billige pastawalzen beim Walzen zu eiern beginnen und unregelmässige Spuren im Teig sichtbar werden. Stücke von ca. 10×10 cm abreissen oder abschneiden.

In meinem Warenhaus hab ich ein frisch angeliefertes Öl entdeckt. Das kam mir von Beiträgen aus Bollis Kitchen und marqueee her bekannt vor. Ein Vergleichstest mit meinem bisherigen Öl fiel zugunsten von Montfrin aus. Ein zahlbares, gutes Alltags-Olivenöl. Zu diesem Preis darf man jedoch kein artisanal hergestelltes Öl erwarten.

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für den Basilikumpesto:
(2) Basilikumblätter ohne Stiele grob zerkleinern, mit den Pinienkernen, dem Knoblauch und dem Käse mit eiskaltem Olivenöl im Cutter in kurzen Impulsen grob pürieren.
(3) Mit fleur de sel und Pfeffer würzen

finish:
(4) pastatüchlein in kochendem, gesalzenen Wasser al dente kochen.
(5) pasta abgiessen, in den Topf zurück geben und den pesto vorsichtig einrühren, so dass die Teigtüchlein allseitig von pesto überzogen sind. Servieren und den restlichen pesto oben drauf geben.

Entgegen dem üblichen Rezept habe ich noch 100 g feinste, 2×2 mm grosse Zucchiniwürfelchen mit 1 Tlf. Salz gemischt, 1/2h stehen gelassen, dann gut ausgedrückt und roh in den pesto gemischt. Schon wieder ein Zucchino weg.

Warum eiskaltes Olivenöl ?

Frischer Basilikum enthält phenolische Substanzen. Durch Verletzung der Pflanzenzellen: schneiden mit dem Messer oder mörsern, dringt Luftsauerstoff in die Zellen. Die pflanzlichen Diphenole werden von Luftsauerstoff und einem Enzym, der Polyphenoloxidase, zu braunen Chinonen oxidiert. Das Basilikumblatt verfärbt sich braun, unansehnlich, dunkel. Wärme beschleunigt diesen Prozess. Erst Hitze zerstört das Enzym. Das betrifft nicht nur Basilikum, auch Aepfel, Auberginen und andere Pflanzen. Nach einem ähnlichen Prinzip verläuft übrigens auch die Bräunung menschlicher Haut an der Sonne. Braunen pesto mag niemand. Schrumpelig braun gilt hingegen immer noch als Schönheitsideal.
Die Pestoherstellung ist also ein Wettlauf gegen die Zeit, das Altern. Der Prozess des Braunwerdens kann durch Kälte und Ausschluss von Luftsauerstoff gebremst werden. Darum:
1) das Olivenöl samt Cutter oder Mörser im Kühlschrank vorkühlen und
2) die Basilikumblätter wenn möglich immer unter Olivenöl vor Luftsauerstoff geschützt mörsern, schneiden, cuttern.

34 Kommentare zu „Mandilli di Seta und etwas Halbwissenschaft“

  1. Ich habe heute ein wunderbares Pesto mit Basilikum vom Garten und Pekannuessen gemacht. Dein Rezept werde ich in den naechsten Tagen “ nachbauen“.

  2. Na, da haben wir ja beide gleichzeitig fast die selbe Eingebung gehabt, wenngleich mein Express-Pesto mit Spaghettini daherkommt!
    Gruss aus Fernost, FEL!X

  3. Schon vor dem Frühstück ist der Anblick dieses Gerichts ein Gedicht!
    Pasta mit Pesto geht bei mir immer. 🙂

  4. Diese dünnen Teigblätter sind mir bislang unbekannt gewesen, danke für den Hinweis. Danke auch für den Hinweis auf die Kältezufuhr bei der Pesto-Herstellung. Ich gebe beides „an die Küche“ weiter, mit dem Wunsch, so bekocht zu werden.

  5. KÖSTLICH! Jeder Pastamaniac (ich 😉 denkt das selbe: KÖSTLICH, KÖSTLICH!

    Rolle ich die Pasta sehr dünn aus, ist die Gefahr größer, dass sie nach dem Kochen aneinander kleben. Gehts dir auch so? Und hast du einen Kniff, es zu verhindern?

  6. Wieder was gelernt, sehr schön, und werde ich bei der letzten Basilikum- Ernte versuchen umzusetzen, wenn der Wintervorrat and Pesto angelegt wird. Und die Pasta…. hach!

  7. Hallo Robert… anstelle eiskaltem Olivenöl und cutter im Kühlschrank etc.
    Könntest Du auch etwas gecrushte Eiswürfel zufügen,,, das kühlt auch sehr ordentlich
    und das Pesto bleibt schän hell grün…
    Gruss aus Hombi Jörg

  8. Sehr interessant! Ich bevorzuge die einfachen Dinge auch, dabei habe ich noch nicht einmal Ministernkochportionen probiert. 😉
    Und jetzt weiß ich auch endlich, warum meine Pastaplatten auf dünnster Stufe immer diese seltsamen Streifen haben. Es ist die Walze, nicht der Teig…

  9. Danke für dieses wunderschöne Rezept – die einfachsten Gerichte mit besten Zutaten samt Tipp sind doch oft die besten.

    Ich träume mich jetzt nach Ligurien und kühle ab sofort meine Haut mit kühlem Olivenöl. 🙂

  10. ‚Zucchino weg‘ ist immer gut. Bei mir reifen nach einer kurzen Verschnaufpause der Pflanzen schon wieder zwei täglich heran… Und hausgemachte Pasta – die ottolenghischen Safrantagliatelle – steht auch hier wieder auf dem Kochplan… Herrlich!!!

  11. Schöne Idee, der neue Zucchiniverwertungstrick! Die Taschentüchlein isst man dann mit Messer und Gabel?
    Ein kleines Problem habe ich mit dem Cuttern zusammen mit Öl. Olivenöl wird doch ganz schnell bitter unter metall-mechanischer Beschleunigung.

  12. Hallo Robert
    Vordergründig ein einfaches Gericht.
    Aber, die kleinen Details und beste Zutaten machen es zu etwas Besonderem!
    Und wenn dann der Meister noch appetitanregend fotografiert, dann hat man nur 2 Möglichkeiten. Entweder selber ran an den Herd oder den Bildschirm abschlecken.
    Ich ziehe das Erstere definitiv vor! 🙂

    Man lernt auch noch beim Lesen des Artikels:
    „… Die pflanzlichen Diphenole werden von Luftsauerstoff und einem Enzym, der Polyphenoloxidase, zu braunen Chinonen oxidiert …“
    Das liest sich hoch interessant für mich, auch wenn ich es nicht wirklich verstehe. 😉

    Ciao Werner

  13. Wunderbar, so ein einfaches Rezept ohne Schneiden und Stanzen hatte ich mir immer gewünscht. Und es wirft ein bezeichnendes Licht auf mich, dass mir das nicht selbst einfiel 😉

  14. @kitchenroach: Du wirst lachen, ich hab noch nie Pekannüsse gegessen !

    @FEL!X: Spaghettini haben auch eine viel grössere Oberfläche als normale Spaghetti Nr. 12. Würde ich in Thailand auch gerne essen.

    @Eva: immer ? das Zwischendurchessen haben wir uns abgewöhnt, da der Linie viel zuträglicher 😉

    @vilmoskörte: schön, wenn man eine „Küche“ hat, an die man die Wünsche weitergeben kann.

    @Pecoraro-Schneider: erst bin ich erschrocken, aber unsere Baselbieter Regierungsrätin heisst Pegoraro-Meier, und die ist schon schlau genug 😉

    @Micha: je dünner die Platten sind, desto leichter sind sie im Kochwasser beweglich. Kleine Mengen lasse ich Stück für Stück nacheinander ins kochende Wasser gleiten. Dann klebt nichts, Grössere Mengen koche ich im cuocisfoglia: https://lamiacucina.wordpress.com/2007/04/20/cuocisfoglia/

    @lieberlecker: dünne Platten geben viel Oberfläche, die mit dem pesto innig verschmelzen. Das ist alles.

    @ninivepisces: bei uns kriegt der Basilikum schon langsam gelbliche Blätter. Der Winter steht demnach schon bald vor der Türe.

    @W. Bocuse: wird der Pesto damit nicht etwas wässrig ?

    @Mangoseele: es ist ein sehr weicher Raviolieig, der aber, mit Gefühl für den Teig hergestellt, kaum klebt. Und wenn doch, ziehe ich ihn beim Auswalzen einmal über eine bemehlte Fläche.

    @evazins: bei Pastawalzen kommts sehr auf eine präzise Mechanik an. Drum ist hier billig am falschen Ort gespart.

    @Barbara: nach einem Sonnenbrand ist es dafür zu spät 😉

    @Sugarprincess: Safrantagliatelle klingt auch gut. Hab ich noch nie gemacht.

    @Afra Evenaar: ja, ohne kleinschneiden flutschen die Tücher weg.
    Das stimmt, gerade hochwertiges, natives Olivenöl kann durch die feine Verteilung beim mixen Bitterstoffe (auch das sind Polyphenole) freisetzen, welche den pesto bitter machen. Genau aus diesem Grund nehme ich statt des schnelllaufenden Mixers den langsamen Cutter (bei der Kenwood gibts dafür 2 Anschlüsse, neben der Geschwindigkeitsregelung)

    @Werner: man muss nicht alles verstehen, ich verstehe davon ja auch kaum was. Wenn man einmal das Prinzip begriffen hat, reicht das aus. z.B. blanchiere ich Artischocken nach dem putzen kurz auf dem Dampfsieb. Dabei wird das Enzym zerstört und die Artischocken, die ohne Zitronensaft (sprich dem Reduktionsmittel Ascorbinsäure) so rasch braun werden, verfärben sich nicht mehr.

    @Rosa Mayland: from Italy with love !

    @bee: auf solche Koch-Ideen kommt man nie von selbst. Irgendwo sieht man sie zufällig (http://atavola.annasfinest.ch/2010/07/22/ruckblick-%C2%ABa-tavola%C2%BB-006-17-07-2010/), sucht sich die Geschichte dazu zusammen und kocht sie eines Tages.

    @Arthurs Tochter: das wird an der Reissfestigkeit scheitern. Aber die teuren Spitzentücher braucht man ja auch nicht um die Nase zu schneuzen 😉

  15. mit 1 oder 2 Eiswürfel aus den blauen Migroseisbeutel auf Deine wird das Pesto nicht wässrig aber schön leuchtend hellen grün… das Eiswasser emulgiert?? Du bis der Chemiker… ich habe diesen Trick von einer sehr guten Profiköchin,,,
    bei mir funktioniert dass seit Jahren tip top!

  16. „gefällt mir“ 🙂

    ich mache pesto mit dem pacojet, wird dann zwar ganz fein, dafür bringt es mehrtags wunderbare ätherische „bright-green“ pesto. auch hier sind ja beim zerkleinern alle zutaten gefrohren und somit tut nix oxidieren oder verflüchtigen.
    für die körnige textur können immernoch ein paar ganze oder gehackte pinienkerne hinzugefügt werden.
    lg albino

  17. Verhindert Zitronensaft nicht auch den Prozess der Oxidation? Bei der Avocado hilft es jedenfalls und kommt immer auch in mein Pesto, das eigentlich immer schön grün ist, egal was für Kräuter ich verwende.

    Liebe Grüße
    Anna

  18. @W. Bocuse: kräftig gemixt, wird das Wasser offenbar emulgiert.

    @Kochbuch für M&M: viele Wege führen zum Ziel.

    @Albino: mit dem pacojet gibts also nicht nur Suppe und Glace.

    @Sugarprincess. habe ich bestimmt nicht übersehen, aber bei 50-100 food-posts, die ich täglich überfliege, vergesse ich all das, was ich nicht sofort aufschreibe.

    @Sabina: ich koche um zu essen.

    @Anna Purna: an sich schon. aber die Säure im Zitronensaft zerstört, vor allem beim erwarmen, auch das grüne Chlorophyll.

  19. Hallo,
    …hmmmm‘ …die Sache mit dem bräunlichen Pesto wundert mich. Mein Pesto wurde bislang nie braun. Und das „AufVorratPesto“ bleibt auch nach 2 bis 3 Wochen im 0-Grad-Kühlschrank ohne Tricks und doppelten Boden leuchtgrün.
    Gruß Tom

  20. @kitchenroach: dann bleib ich gleich lieber in der Alten Welt 🙂

    @Tom: bei 0°C unter Öl passiert nicht mehr viel. Lass ihn einfach mal bei Raumtemperatur offen an der Luft stehen.

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