Im Gourmettempel mit James Bond

Erklärtes Ziel vieler Feinschmecker, die das Piemont besuchen, ist das Ristorante Piazza Duomo in Alba mit 3 Michelin Sternen. Hier kocht der immer noch junge Enrico Crippa. Hier essen Feinschmecker, Stars, Sternchen und die üblichen Geldbanausen. Oder umgekehrt. Ohne langfristige Reservation geht hier nichts. Mit rund 36 Gedecken in 3 Räumen ist das Lokal eher klein. Mein spontaner Reservationsversuch wurde freundlich abgewiesen, dann probierte es Frau H. nochmals unter ihrer Adresse: Bingo! Der Zugang schlicht, mit viel understatement, keine Reklametafeln: nur eine rote Tür mit Gegensprechanlage.

Geschafft. Wir hielten uns brav an die Verbote von Adiletten, Crocs und Shorts und wurden, wiewohl wir keine celebrities sind, freundlichst in den bekannten, rosa bemalten Salon geleitet. Zum vorbestellten 9-Gang-Menu wünschte ich uns zusätzlich den zum signature dish gewordenen Insalata 21…31…41…51…

Crippa ist weder Vegetarier noch Veganer, doch einer, der der Pflanzenwelt grün ist. Seine berühmteste Kreation ist sein Salat, der im Laufe der Jahre immer vielfältiger und fantasievoller geworden ist. Waren es anfänglich und je nach Saison 21 Kräuter, Salate und Sprossen, sind es heute weit über 51. Dabei vermeidet er, sich in einem Durcheinander der Aromen und Geschmäcker zu verlieren. Der Salat wird mit einer Pinzette, Blättchen um Blättchen, Blüte um Blüte gegessen und ist nichts weniger als eine Wucht: Bio-Diversität in Geschmack umgesetzt. Für den Verzehr des Salats müssen mindestens 20 Minuten einberechnet werden. Alles Grünzeug stammt aus der betriebseigenen (!) Bio-Gärtnerei mit total 4 Hektaren Land, wovon 1 Hektare für Wildpflanzen reserviert ist. Dazu 400 m2 Gewächshäuser. Das Restaurant wurde vor 17 Jahren in Zusammenarbeit mit der Weinproduzenten-Familie Ceretto eröffnet (und finanziert). Die Salatbasis besteht aus einigen Salatblättern, die mit einer einfachen Sauce (Öl, Essig…) angerichtet ist. Darauf werden all die Kräuter, Blüten und Sprossen (ohne Sauce) gesteckt. Unter der Salat-Bowl versteckt sich ein aromatischer Dashi-Sud aus Kombu-Algen und Bonitoflocken.

Bretonischen Hummer, Kaviar und Wagyu geben wir gerne her für diesen Salat. Der ist heute der wahre Luxus.

Die Appetizer demonstrieren die Leistungsfähigkeit der Küche. In Erinnerung habe ich die falschen Oliven behalten, die aus Langustinen- und Kalbfleischtartar bestehen (Crippa arbeitete u.a. im El Bulli)

Der erste Gang, angekündigt als piemontesisches Antipasto, das ich bislang als üppige Auswahl an Wurstwaren, rohem Fleisch und gegrillten Gemüsen oder fritto misto kannte, war eine auf 12 Schalen (pro Person) verteilte Gemüseorgie. Miniportionen, versteht sich, aber wundervoll. Das Blumenkohlröschen in Sauce Béarnaise, der Mini-Pak-choi mit Sesam sind mir geblieben. Ein besseres Gedächtnis sollte man haben, um sich alle Zubereitungsarten merken zu können.

Kurze Essenspausen in Edelrestaurants sind immer interessant für Menschenbeobachtungen. Am Tisch nebenan Roberta Ceretto aus der Besitzerfamilie.

Gegenüber ein Tisch mit 2 jungen Herren aus Fernost, die sich das Trüffelmenu leisteten, die jedoch vom Essen kaum Notiz nahmen, da sie anderweitig beschäftigt waren.

Mehr Interesse an Kulinarik hatte die nebenan sitzende, 3-köpfige, indonesische Familie in T-Shirts, die für den Geburtstag des Sohnes geschätzte 1500 € in 3 Trüffel investierte (dazu der Preis des Trüffelmenus).

Inzwischen wurde der letzte, freie Tisch besetzt. Ein sehr gut aussehender, smarter Typ, um die siebzig, samt Gattin nahmen ihre Plätze ein.
Frau H.: „sieht aus wie James Bond“
Herr L. zweifelt: „Sean Connery, 007??“
Frau H.: „neeein, der ist doch gestorben, Pierce Brosnan, der mit dem Bond Girl Elektra, Sophie Marceau, da bin ich mir ganz sicher“
Herr L. konsultiert die Bilder in wiki: „möglich, hingegen sieht die Sophie Marceau auf den Bildern hübscher aus“
Frau H.: „neeein, die war doch nur seine Filmpartnerin, verheiratet ist er mit einer andern“ (mehr dazu am Ende des Artikels).

Schluss mit who is who, bei uns gings weiter mit den nächsten Gängen, in denen sich Enrico Crippa auch als Meister von Fisch und Fleisch erwies. Schlichte Teller, ohne chichi:

Seeigel mit Mandel und Peperonicreme.

Rote Bete in verschiedenen Formen (ohne Bild)

Steinbutt, Kürbis und Schwarzkohl

Tintenfisch und weiss-schwarze Polenta

Piemontesischer Risotto mit Leber, Kastanie und Kakao (wunderbar, doch ohne Bild)

Podolica-Rind mit Bohnen (manche der Saucen, die wir bei Lucas Rosenblatt zubereiten, schätze ich als noch gehaltvoller ein).

Als Dessert schliesslich ein buntes Gemälde nach Andy Warhol:
Nusskrokant in einer Caramelcreme (ohne Bild)

Wie sich während des Essens herausstellte, handelte es sich beim gut aussehenden Gast tatsächlich um Pierce Brosnan. Die Begleitung war seine Gattin. Als zweitletzte Gäste verliessen wir den Raum. 007 winkte uns zum Abschied. In Alba deckten wir uns mit piemontesischem Käse ein. Der Trüffel kam dann doch noch über uns, am folgenden Tag.

21 Kommentare zu „Im Gourmettempel mit James Bond“

  1. Oh, was für eine Vielfalt an Farben und Geschmacksnoten plus Umfeld. Und Brosnan nebenan, mon dieu!Darf man fragen, was so etwas kostet. Ach, man fragt lieber nicht, denke ich. Gut gemacht! Herzlich, Sunni

    1. Spitzenküche hat ihren Preis und kann sich trotzdem nur dank Sponsoren in den schwarzen Zahlen halten. Das hat einfach mit dem enormen Personalaufwand zu tun. Das muss man sich leisten wollen, auch wenns im Geldbeutel weh tut. Auch wir müssen dafür sparen.. LG

      1. Das weiß ich, und schätze diese Arbeit sehr. Es war auch keinesfalls anders als wertschätzend gemeint. Und ob jemand das aus der Portokasse oder nach Sparen bezahlt, ist mir reichlich egal. Das war auch nicht die Frage.Und ich denke, Sie wissen das auch. LG

  2. Ganz herzlichen Dank für diesen Einblick in ein Erlebnis das mir nie vergönnt sein wird. Von diesem Salat werde ich träumen und der fernöstliche Giggle wird mich durch den Tag begleiten !
    Alle Liebe für Euch beide 🌹❤️🌹

    1. den Salat werde ich nächstes Jahr einmal nachmachen, vereinfacht, wenn die Natur wieder aktiver ist, als jetzt. Die Version insalata…21 sollte man hinbekommen.

  3. Lang lang ist es her, vor 6 Jahren haben wir eine Piemont Genussreise gemacht. Wir durften mit einem Trüffelsucher unterwegs sein, haben natürlich fantastisch gegessen und die Tage in vollen Zügen genossen.

  4. Dieser Bericht rührte mich fast zu Tränen. Es ist ja auch erst 28 Jahre her, dass wir Alba ausgiebig genossen haben.
    In diesem Restaurant haben wir ebenfalls schon in Trüffeln geschwelgt. Bei diesem Menü wäre ich zu gerne dabei gewesen, alles ist immer noch genauso wie ich die Gastronomie in Alba und drumherum in Erinnerung habe.
    Die beiden Knaben aus Fernost zeigten deutlich, was heutzutage so furchtbar wichtig ist. Aber sie haben die Bilanz des Ristorante eindeutig hochgehalten.

  5. Eben fällt mir ein, wir hatten damals unseren Berner Sennenhund dabei und der bekam vom Käsehändler auf dem Markt extra ein Stück Parmigianorinde zum Nagen. So etwas erlebt man nur in Italien

  6. Sehr toll erzählt! Wir gehen auch so 1 x im Jahr oder alle zwei Jahre sehr gut essen und es ist immer eine Offenbarung. Schon unglaublich, was die Spitzengastro leistet. Bei vielen Gerichten habe ich nicht einmal annähernd Ahnung, wie sie zubereitet werden.
    Ich freu ich schon auf den 21-er Salat in einer freundlicheren Jahreszeit!

    1. Für gute Bewertungen müssen sich die Köche heute einiges einfallen lassen und einen riesigen Aufwand leisten. Das führt zu gut ausgelasteten Restaurants. Nur so lässt sich auf diesem Niverau wirtschaftlich überleben. Oder dann mit einer Pizzeria. Dazwischen ist Niemandsland.

  7. Wie immer sehr schöne Bilder und witzige und interessante Kommentare zu den Fotos, aber diesmal besonders spannend für mich als (weiblicher) Koch. Danke sehr!

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