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Pinsa 3B

Es wollte sich einfach nicht mehr ergeben. 3 oder 4 Jahre mag es her sein, dass hier eine richtige Pizza gebacken wurde. Frau H. mag den Boden dünn und knusprig, voll belegt. Ich mag ihn dick, Stichwort Pizzakuchen, jedenfalls mit hohem Rand (alto cornicione) und wenig Belag. Da kann die handwerkliche Übung schon mal verloren gehen. Trotzdem nutze ich die Gelegenheit, einen für uns neuen Belag auszuprobieren. Im Wesentlichen halte ich mich an mein altes Rezept, ergänzt mit etwas Sauerteig, damit der auch wieder mal etwas zu tun kriegt.

3B steht für den Belag: Birne, Balsamicoreduktion und Baumnüsse. Dazu Gorgonzola und Mascarpone. Als Gegenpol zur inhärenten Süsse die leichte Bitterkeit von Radicchiostreifen. Keine Tomatensauce. Kein Mozzarella.
Für die Balsamicoreduktion halte ich mich an das bewährte Rezept von Micha (grain de sel) aus dem Jahre 2013.

Pinsa 3B

Teig: Teig (etwa 850g) reicht für 3 Pinse
50 g Weizensauerteig (mein Ferdinand lebt immer noch -seit 2 Jahren)
375 g Weissmehl
75 g Reismehl
25 g Kichererbsenmehl
3 g Frischhefe
3-3.5 dl Wasser
7 g Salz
5 g Olivenöl

Belag: für eine Pinsa
1/3 kleiner Kopf Radicchio rosso, in feine Streifen geschnitten, kurz vor Verwendung mit normalem Aceto balsamico beträufeln und mischen
1/2 feste Birne in Spalten oder Würfel geschnitten
einige Baumnusshälften
2-3 EL Gorgonzola dolce, zerbröckelt
2 EL Mascarpone

Balsamicoreduktion: (halbe Mengen angesetzt)
300 ml Aceto Balsamico vom nicht so teuern
250 ml frisch gepresster Orangensaft
50 ml Portwein
2 Zweige Rosmarin
2 Scheiben Ingwer
2 EL kristallisierter Honig


(1) Mehle mischen. Anstellgut zugeben. Hefe im Wasser suspendieren.
(2) Hefesuspension zum Mehl geben und sofort etwa 5 Minuten zu einem weichen Teig verkneten.
(3) Olivenöl und bei Bedarf weiteres Wasser zugeben. Insgesamt 15 Minuten auf Stufe 1 kneten. 5 Minuten vor Ende das Salz zugeben. Der Teig darf weicher sein als ein üblicher Pizzateig.
(4) 30 Minuten ruhen lassen. Alle 10 Minuten den Knetarm für 3-5 Umdrehungen laufen lassen.
(5) In eine verschliessbare Plastikdose abfüllen und mind. 24 Stunden im Kühlschrank bei ca. 6°C reifen lassen.
(6) 3 h vor dem Backen die Dose auf Raumtemperatur temperieren. Zweimal manuelles stretch und fold, dann den Teig dreiteilen und ovale Kugeln formen. Nochmals 1 Stunde gehen lassen. Auf Weizendunst von Hand oval ausziehen  und mit den Birnenwürfeln belegen.
(7) Bei 260°C auf vorgeheizten Pizzasteinen ca. 6 Minuten vorbacken. Pinsa auf den Schieber herausziehen und mit Gorgonzola, Mascarpone und Nüssen belegen. Weitere 5 Minuten backen. Vor dem Servieren mit dem mit normalem Aceto Balsamico parfumierten Radicchio bestreuen und mit Balsamico-Reduktion beträufeln.

Balsamicoreduktion:
(8) Alle Zutaten in einen Topf geben und bei kleiner Hitze auf etwa ein Drittel zu einer sirupösen Konsistenz reduzieren. (Gelierprobe machen!) In eine saubere, verschliessbare Flasche füllen.

Mit einem Glas meines besten Barolo eine vollwertige Mahlzeit.

Es ist ein Mädchen…

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Es ist ein Mädchen geworden. Endlich. In wilder Ehe arghh… mit wilder Hefe erzeugt. Unzählige Versuche (siehe hier) endeten mit plötzlichem Kindestod und Entsorgung im Abfalleimer. Die wärmste Ecke der Küche war dem Nachwuchs offensichtlich zu kalt. Erst warme Bettflaschen brachten das Baby bei 27°C zu gedeihlichem Wachstum. 3 Tage Rohkost (Apfelwasser und Ruchmehl, mehr oder weniger nach Anleitung von Maestro Claudio) und häufige Fütterungen brachten zuletzt die gewünschte Volumenzunahme innert 2 Stunden. Alles mit halben Mengen. Wenn meine 500 ml fassende Wiege überzulaufen drohte, wechselte ich Wiege und Windeln und reduzierte dabei gleich 2/3 der überquellenden Brut. Das Baby soll mir nicht über den Rand des Laufgitters springen.

Am vierten Tag der Schöpfung durfte ich hoffnungsvoll daran denken, das Kind der warmen Mutterbrust zu entwöhnen, es auf Halbweissmehldiät und bibberkalte 25°C zu setzen. Sein Appetit verlangsamte sich, doch ich fütterte es -braver Vater der ich bin- immer dann, wenn es schrie und Hunger hatte. An das vorgegebene Fütterungsschema „alle 6 oder 12 Stunden“ war nicht zu denken. Der Nachwuchs bestimmte in seinen ersten Lebenstagen meinen Tages- und Schlafplan, Los jedes frisch gebackenen Vaters. Übernächtigt, aber mächtig stolz auf mein Kind nenne ich das Mädchen Ferdinand. Entgegen aller Gepflogenheiten.

Was mache ich nun mit dem Kind? Anonym in die öffentliche Babyklappe des Spitals legen? Nein, das wäre verantwortungslos. Demütig Nachbacken, was die Brotbackkönner des Internets täglich vorbacken? Eigentlich das Gebot der Stunde für einen Brotanfänger wie mich. Oder doch lieber auf eigenen Füssen stehen und scheitern? Wie gestalte ich das Leben mit Kind? Ich will ja kein Meisterbäcker mehr werden, will nichts von Detmolder 3-Stufenführung wissen, will keine Foren mit Fragen füllen. Ich will mein täglich Brot und die Routine, es bei Bedarf reproduzierbar backen zu können. Mehr nicht.

Ich versuchs einfach mal mit meinem geliebten Pinsa-Teig-Rezept, den hab ich schon einigemale zu Pizza verbacken. Ich bastle mir daraus mutig ein Topfbrot mit Bier und ausschliesslich Mutterhefe.

Bier Pinsa Brot

Das ist kein Rezept zum Nachbacken. Ich halte hier nur das was&wie mit allen Fehlern fest.

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Zutaten
250 g Halbweissmehl
90 g Manitobamehl (Caputo)
70 g aktive Lievito madre
20 g Reismehl
10 g Kichererbsenmehl
100 ml Amber Bier oder Indian Pale Ale
125 ml Wasser, kalt
1 TL Olivenöl
10 g Salz
25 ml Wasser
(tot.  ca . 700 g Teig)

Zubereitung
(1) Abends um 18h alle Mehle, Mutterhefe, Olivenöl, Bier und Wasser in die Schüssel der Küchenmaschine geben und auf kleinster Stufe 5 Minuten kneten.
(2) Teig in bedeckter Schüssel 90 Minuten bei 26°C anspringen lassen.
(3) Teig flachdrücken, Salz aufstreuen, mit 25 ml Wasser portionsweise erst von Hand, später mit Maschine zu einem elastischen Teig kneten (5 Minuten Stufe 2)
(4) Teig in Gärbox 36h bei 10°C kühl stellen (Weinlagerschrank).
(5) am übernächsten Tag: in der Frühe aus dem Kühler entnehmen, auf Raumtemperatur angleichen, auf einem leicht bemehlten Brett mit nassen Händen dreimal dehnen und falten. Teig rundum über die Mitte zu einer Kugel einschlagen. Mit Schluss nach unten in ein gut bemehltes Gärkörbchen legen. Mit einem runden Backpapier in Topfbodengrösse und einem angefeuchteten Leinentuch zudecken.
(6) Ofen mit Gusseisentopf und Deckel auf unterster Schiene auf 250°C 20 Minuten vorheizen.
(7) Passende runde, dünne Aluplatte  auf den Backpapierbelegten Teig legen, das Körbchen beherzt umdrehen, Gusseisentopf aus dem Ofen nehmen, Teigling samt Aluplatte mithilfe meiner ingeniösen Brotteig-Absenkvorrichtung (wie bei einer Beerdigung den Sarg) vorsichtig in den Topf versenken. Deckel zu und Ruhe in Frieden für 30 Minuten im Ofen. Danach Deckel entfernen und weitere 15 Minuten bräunen.

Fazit: Das Brot riecht und schmeckt nicht schlecht für einen Erstling. Mildsäuerlich. Knusprige Kruste. Ist halt nur Halbweiss und Halbweiss ist weder Fisch noch Vogel. Und sichtbare Fehler sind auch zu sehen. Am nächsten Tag wars noch gut zu essen, aber der Knusper war weg. Deshalb bin ich zur Einsicht gelangt, dass Brot backen eine Kunst ist, und ohne Erfahrung, Ergebenheit und Demut nichts Brauchbares rauskommen wird. Also: Zurück an den Start. Jetzt backen wir uns (Ferdinand&ich) erstmals durch ein bewährtes Anfängerrezept, das Weizensauerteigbrot von Katharina Arrigoni, (besondersgut.ch). Das wiederholen wir solange, bis ein zufriedenstellendes, fehlerfreies Backwerk entstanden ist. Dann sehen wir weiter… bis zum Ziel: einem Baslerbrot.

Ich sorge indessen, dass mir Ferdinand  nicht stirbt. Mani Matter singt das Lied vom Ferdinand. Dass mir keine(r)  einen Nachttopf auf meinen Ferdinand werfe!

https://www.srf.ch/play/tv/glanz–gloria-clip/video/der-ferdinand-isch-gstorbe?id=a90c740e-a790-419f-a6f5-5caf41065c55

Pinsa Romana: Die bessere Pizza

Pinsa Romana

Auf das Altenteil zurückgezogen, im Halbschlaf müde vor mich hin dämmernd, sass ich auf dem Sofa, als mir die Kunde von einem wieder entdeckten, wunderlichen Backwerk zugetragen wurde. Die Pinsa Romana. Vergil habe sie vor über 2000 Jahren in der Aeneis beschrieben. Wusste ich nicht, Vergil liest man nicht alle Tage. Deshalb steht die Aeneis bei mir als angestaubte Bückware im Gestell. Gesucht. Gefunden. Hellwach blätterte ich in den zwölf Gesängen und wurde im 7-ten fündig: „Die Mahlzeit richteten sie und legten im Grase unter die Speisen Opferfladen von Weizengebäck – nach Jupiters Ratschluß –, nutzten als Unterlage sie dann für die Früchte der Ceres“.

Römische Familien überlieferten und pflegten die Tradition bis in die Neuzeit. Entwickelten sie weiter. Bis sie von findigen Unternehmern vor rund 15 Jahren wieder entdeckt und kommerziell zugänglich gemacht wurde.

Auch in Basel hat seit 2014 eine Pinseria ihre Pforten geöffnet. Das habe ich verschlafen. Inzwischen informiert, liess ich mir am take-away 2 Pinse backen. Ein Wunder an Knusprigkeit und Geschmack. Die bessere Pizza!

Grund, nach einem Rezept zu recherchieren -das Originalrezept von Vergil taugt ja nicht sonderlich viel-  und mich sofort an das Backen einer Pinsa zu machen.

Dabei liess ich die im Mittelalter hinzugekommenen Kräuter weg, verwendete Weichweizen, Dinkel und Kichererbsenmehl, die alten Römer hatten noch kein Sojamehl, Soja gelangte erst im 18. Jahrhundert nach Europa. Verwendete Frisch- statt Trockenhefe, Besitzer einer lievito madre dürfen natürlich diese einsetzen.


Pinsa Romana
Zutaten
Teig für 5 Pinse
350 g Weissmehl, Type 400. (L.: Halbweiss, Type ca. 550)
50 g Dinkelvollkornmehl, gesiebt
75 g Reismehl
25 g Kichererbsenmehl
500 mg Backhefe
ca. 4.5 dl kaltes Wasser
5 g Salz
5 ml Olivenöl

Pinsa Romana
Zubereitung
Das es sich um einen hoch hydratisierten Teig handelt, bedarf die Verarbeitung entsprechender Massnahmen.
(1) Mehle mischen. Hefe in einem kleinen Teil des Wasser suspendieren.
(2) Hefesuspension und ca. 80% des Wassers zum Mehl geben und sofort etwa 6 Minuten zu einem weichen Teig verkneten.
(3) Salz zugeben, weitere 2 Minuten kneten.
(4) Olivenöl und restliches Wasser nach Bedarf zugeben. Insgesamt 20 Minuten kneten. Der Teig soll weicher sein als ein üblicher Pizzateig.
(5) 30 Minuten ruhen lassen. Alle 10 Minuten den Knetarm für 3-5 Umdrehungen laufen lassen (stretch and fold).
(6) In eine verschliessbare Plastikdose abfüllen und im Kühlschrank bei ca. 6°C für mind. 24 Stunden, besser 48 Stunden (bis 120 Stunden) lagern.
(7) 2-3 h vor dem Backen die Dose auf Raumtemperatur temperieren. Einmal manuelles stretch und fold , dann den Teig halbieren und ovale Kugeln formen. Nochmals 1 Stunde gehen lassen. Auf reichlich Weizendunst oval ausziehen,  und nach Belieben belegen.
(8) Bei 240°C Umluft auf Pizzasteinen ca. 11 Minuten backen.

Aussen krachend-knusprig (vom Reismehl), doch nicht hart. Innen weich, mit bestem Geschmack. Durch die hohe Hydratation, die lange Teigführung und die zusätzlichen, Glutenfreien Mehle ist die Pinsa leichter und bekömmlicher als eine normale Pizza.

Quellen:
pinsaromana
fabiennekobi
Blog giallozafferano