Im laufenden Jahr reichte es uns leider nur für zwei Besuche am Doubs. Dazu bewanderte ich mit Frau H. die Strecke Soubey bis St. Ursanne.

Umso schöner, wenn sich der Doubs in meine Nähe bemüht; einen Halt macht im Musée jurassien d’art et d’histoire in der Kantonshauptstadt Delémont: mit einer sehenswerten Ausstellung von Pastellkreidezeichnungen und Ölgemälden des Neuenburger Künstlers Charles L’Eplattenier (1874-1946). Der hatte sich mir vor einigen Monaten als künstlerischer Gestalter des Krematoriums von La Chaux-de-Fonds eingeprägt.

Die ausgestellten 30 Werke stammen vorwiegend aus einer Serie von über hundert Pastellgemälden aus den Jahren 1914 und 1915, die heute unter dem Namen Poème du Doubs (Ode an den Doubs) bekannt sind. L’Eplattenier war mit der Region des Jura tief verbunden.

Er suchte die Intimität der Natur, campierte im Zelt an den Ufern des Doubs wie auf den umliegenden Höhen der Doubsschlucht, um den Geist dieses Flusses und seiner Umgebung in eine Vielzahl von Farben und Formen zu bannen. In den „sur le motif“ spontan gezeichneten Pastellgemälden lädt er dazu ein, diese Landschaft zu Fuss zu erkunden.

Charles L‘ Éplattenier wurde 1874 in Neuchâtel geboren. Der Tod seines Vaters, an Tuberkulose verstorben, brachte die Familie in finanzielle Schwierigkeiten. Der Junge absolvierte eine Lehre als Maler und Gipser, besuchte nebenbei Abendkurse bei dem Neuenburger Maler und Architekten Paul Bouvier. Um die Mutter zu entlasten, wurde er 1889 zu einer Tante nach Budapest gegeben. 1892-94 studierte an der Kunsthochschule in Budapest. Stipendien der Eidgenossenschaft und des Kantons Neuchâtel erlaubten ihm die Fortsetzung seiner Studien in Paris. Im Alter von 18 Jahren wurde er nach einem Auswahlverfahren an die Ecole nationale et spéciale des Beaux-Arts aufgenommen. 1896 kehrt er in die Schweiz zurück. Von dekorativer Kunst und Jugendstil angesprochen, unternahm er Studienreisen nach London, Belgien, die Niederlande und München. Ab 1897 war er Lehrer für Zeichnen und dekorative Komposition an der École d’Art in La Chaux-de-Fonds, eine Kunstgewerbeschule, die ursprünglich der Ausbildung von Graveuren für die Uhrenindustrie bestimmt war.
Aufgrund seiner Anregungen wurde die Ausbildung an der Kunstgewerbeschule grundlegend reformiert. Nach dem Vorbild der 1903 eröffneten Wiener Werkstätte entwickelte er mit seinen Schülern eine besondere Ausprägung des Jugendstils (style sapin), die ihre Quellen im Studium der Natur und ihren Gegebenheiten suchte. 1912 erweiterte er das Ausbildungsangebot mit Unterstützung dreier seiner besten Schüler, u.a. Charles-Edouard Jeanneret, dem späteren Le Corbusier.
In diesen Jahren beteiligte er sich erfolgreich an Gruppenausstellungen, u.a. neben Ferdinand Hodler.

Interne Zwistigkeiten veranlassten ihn 1914, seine Stelle an der Kunstgewerbeschule abrupt zu kündigen. Der erste Weltkrieg tobte ausserhalb der Schweizergrenze in Europa. L’Eplattenier diente als Soldat in der Festung Savatan bei Saint-Maurice. Während eines Urlaubs zog er sich in die einsamen Schluchten des Doubs zurück. Dabei entstand die wunderbare Folge der Pastellbilder die er 1915 in seiner ersten Einzelausstellung präsentierte.

1924 schuf er in Erinnerung an die Grenzbesetzung seine berühmte, aus einem 20 Tonnen schweren Findling gehauene Skulptur „La Sentinelle“ (der Wächter). Der Volksmund nannte die monumentale Statue wegen ihrer martialischen Haltung „Le Fritz“. Während des Jurakonflikts kam es wiederholt zu Auseinandersetzungen um das Denkmal, weil Separatisten in ihm ein Symbol der «bernischen Besatzung» sahen. 1989 wurde die Statue von aufmüpfigen Jurassiern vom Sockel geholt. Letztlich mit Vorschlaghämmern der Kopf in Stücke gehauen.
Architektur und Stadtplanung waren weitere Bereiche, in denen sich L’Eplattenier engagierte. Zusammen mit dem Architekten Chapellaz entwarf und baute er 1926 das bunte Museum der schönen Künste in La Chaux-de-Fonds.

In den folgenden Jahren war er vielseitig als Maler, Zeichner, Bildhauer, Architekt, Dekorateur und Buch-Illustrator tätig. Immer wieder zog es ihn an den Doubs. In Les Brenets besass er ein Ruderboot, in welchem er schwer zugängliche Stellen des Grande Bassin, oberhalb des Saut du Doubs, anfuhr.
1946 stürzte er, der gewandte Berggänger und Naturverbundene „homme des bois“, an einer glitschigen Stelle in felsigem Gelände nahe den Ufern des Doubs zu Tode.
Obwohl er, im Gegensatz zu Ferdinand Hodler nicht wirklich über die Grenzen der Schweiz hinaus bekannt wurde, hinterliess er ein enormes Werk und zahlreiche Schüler, die von ihm geprägt wurden.

Als Abschluss meines Porträts ein gekürzter Ausschnitt einer historischen Filmaufnahme von 1944 Agfa 8mm. Sie zeigt den Künstler am Ufer des Doubs: wie er malt und Mahlzeit hält.
Dauer der Ausstellung vom 19. November 2022 bis 26. Februar 2023.
Damit wünsche ich allen Leserinnen und Lesern schöne Feiertage.
Quellen: Charles L’Eplattenier: Les Pastels. Herausgeber: Marine Englert und N.M. Güdel, Editions Notari 2022