Weinrallye mitten in der Ferienzeit. Ich gedachte schon abzusagen, wollte dann aber Peter Züllig bei desem Thema doch nicht hängen lassen. Schweizer Weine werden im Ausland, wenn überhaupt, wohl meist nur über die Hauptrebsorten wahrgenommen: Chasselas, Pinot noir, Merlot, vielleicht noch Müller-Thurgau.
In meinem Beitrag stelle ich einen Wein vor, den es praktisch nur in der Schweiz gibt: im Wallis, dem Kanton mit den vielen autochthonen Rebsorten. Genauer: in Vétroz. Hier wächst die weisse Sorte Amigne, die vermutlich von der alten Rebsorte vitis aminea abstammt, die vor über 2000 Jahren schon von Horaz und Vergil beschrieben wurde. Von der Amigne gibt es weltweit (Stand 2007) noch/wieder 43 Hektar (beinahe ausschließlich im Wallis), 70% davon werden in Vétroz angebaut. Die Weinberge von Vétroz liegen an den Hängen des untern, rechten Rhône-Ufers.
Leider hatte ich keine einzige Flasche Amigne zuhause. Also, auf ins Wallis. Was tut man nicht alles für ein Weinrallye ! Über Stock und Stein, wir meiden Autobahnen, über den Col de la Croix in die Rhoneebene nach Bex. In L’Etivaz, lange vor der Passhöhe, sind wir erst in der dortigen Käserei hängengeblieben und haben uns mit diesem köstliche Alpkäse eingedeckt. Davon ein andermal.
Später versperrten uns schöne Aussichten, Rotlichter, Rindviecher und die alte Salzmine in Bex den Weg.
Hat man in Bex genug Salz geleckt, gilt es, den schönen Weg entlang der Rhone um das Rhoneknie finden, dann alles der route du vignoble entlang von Weindorf zu Weindorf bis Vétroz.

Knapp vor Büroschluss sind wir in der Firma Jean-René Germanier angelangt, schnappten uns am guichet (=Schalter) bei einer freundlichen Schalterbeamtin noch ein paar Flaschen. Dann war Schluss mit Sonne. Meine Absicht, die Lagen von Vétroz in schönen Fotos festzuhalten, ging im allgemeinen Schatten unter.

Auf die Erstbegehung des Amigne-Lehrpfades musste ich wegen starker Winde verzichten. Frau L. ist für solche Expeditionen zu wenig wetterfest. So blieb es bei zwei schnellen Klicks und der Beschreibung des Weines.
Mein Wein:
Amigne Balavaud, Grand cru, 2011
Jean-René Germanier, Balavaud – 1963 Vétroz – Suisse
Alkohol: 14.5 %, der erste Jahrgang hatte noch 12%
Ein kräftiger, körperreicher Weisswein. In der Nase findet man viel Frucht, Mandarine, reife Williamsbirne. Im Gaumen nochmals Frucht, frische Säure und ein langer, leicht herber, charaktervoller Abgang. Zweifellos ein gelungener Wein. Den Alkohol merkt man erstaunlicherweise erst viel später 😉
Amigne ist sehr lagerfähig, soll nach einer 5 bis 10-jährigen Lagerzeit den grössten Genuss bieten. Je nach Wahl der Trauben und dem Ausbau werden aus der Sorte Amigne trockene, fein-herbe oder liebliche Weine erzeugt. Seit Jahrgang 2005 erfolgt die Kennzeichnung mittels Bienen: trockene 0-8 g/L (1 Biene), fein-herbe 9-25 g/L (2 Bienen) oder süsse Weine > 25 g/L Restzucker (3 Bienen). Diese Deklaration war überfällig, dafür nehmen wir sogar den Lokal-Kitsch der Bienen in Kauf. Ich erinnere mich an eine Einladung in einem Restaurant vor etwa 2o Jahren, als diese Kennzeichnung noch nicht existierte. Meine Frage, wie der Wein ausgebaut sei, wurde vom ahnungslosen Kellner mit „trocken“ beantwortet. Der Wein war dann aber richtig süss und zum Essen völlig ungeeignet.