Schweizer Läden sind, wie zu lesen ist, wegen der kollektiven Coronavirushysterie zunehmend leergekauft. Dosenravioli, Mehl, Nudeln, Reis und Katzenfutter sucht man teilweise vergeblich. Siehe Bericht der Wilden Henne in insta. Kampf tobt um die letzten Vorräte. Die offenbar unmittelbar bevorstehende Hungersnot wirft dunkle Schatten voraus. „Hunger würd‘ uns nimmer munden“ krächzen schon die Raben von den Bäumen. Ob wohl in der badischen Nachbarschaft vernünftigere Menschen leben? Bei einer Velofahrt über die Grenze fällt mir der lange gesuchte Guanciale in die Hände. Danke an cooketteria für den tipp. Fettstoffe sind in solchen Zeiten rar und Not macht erfinderisch: Im ausgelassenen, italienischen Guancialefett brate ich aus deutschen Kartoffeln hergestellte Kartoffelküchlein an… mit Kampfgewürz,
voll ausgeschrieben: K a r t o f f e l s t a m p f g e w ü r z.
Ein Wort, das auf der Zunge tanzt, zerfliesst und schmilzt. Ein Wort, das für sich allein schon jeden Hunger sättigt. Dazu Spinosi Artischocken, die in Basel niemand kaufen wollte, wegen ihrer Stacheln oder weil sie aus dem virusverseuchten Italien stammen. Dazu nochmals eine Carbonara aus den letzten Eiern. Ohne Pasta, weil leergekauft (siehe oben). Die ausgelassenen Guancialewürfel wollten auch noch verwendet werden. Eine Kombination wie ich sie liebe.
„Ja wir sind noch sehr lebendig,
wir sind beide noch die Alten,
und wir freuen uns unbändig,
diese Notzeit durchzuhalten.“ (*)
Polpette di patate mit Kampfgewürz

Zutaten und Zubereitung
2 Personen
für die Küchlein:
400 g Kartoffeln, festkochend
10% Kichererbsenmehl (bezogen auf geschälte Kartoffeln)
1 Eigelb
Salz
3/4 TL Kampfgewürz (Kartoffelstampfgewürz, Gewürzamt)
für die Artischocken:
3 Artischocken mit Stiel und Stacheln (spinosi)
Ascorbinsäure oder Speisenatron
1 Vollei
2 Eigelb
100 g Guanciale
1 Knoblauchzehe, ungeschält
4 EL Pecorino romano, frisch gerieben
Meersalz
schwarzer Pfeffer
1 TL Hartweizengriess
(1) Artischocken putzen, rüsten, längs achteln und in Wasser mit Ascorbinsäure oder Natron legen. Stiele bis aufs helle Mark schälen und dazugeben.
(2) Artischocken auf dem Dampfsieb 5 Minuten dämpfen. Herausnehmen, kalt abschrecken, abtropfen und auf Küchenpapier gut trocknen. Beiseitestellen.
(3) Kichererbsenmehl in einer Pfanne ohne Fett hell rösten.
(4) Kartoffeln schälen, würfeln, in Salzwasser garkochen, abschütten und im heissen Topf ausdampfen lassen.
(5) Kartoffeln durch eine Presse zu Püree drücken und noch warm mit den restlichen Zutaten mischen. Zu einer ca. 1 cm dicken Teigplatte ausrollen und davon Taler ausstechen. Reste zusammenkneten und ausstechen bis der ganze Teig verwertet ist. Bei Bedarf beidseitig in Brotbrösel wenden.
(6) Guanciale in Würfel oder Streifen schneiden und in einer Pfanne ohne Fettzugabe langsam knusprig braten. Knoblauch mit einem Topf anquetschen und mitbraten. Danach entfernen.
(7) Eier in einer Schüssel oder einem Topf verklopfen, das Gefäss soll auf einen leicht grösseren Topf (als Bain-marie) aufgesetzt werden können, ohne dass es ins Wasser eintaucht. Pecorino untermischen und mit Pfeffer würzen. Beiseitestellen.
(8) Gebratene Guancialewürfel aus der Pfanne nehmen, überschüssiges Fett in eine grosse, beschichtete Pfanne abgiessen und die Kartoffelküchlein darin anbraten.
(9) Artischocken in einer grossen, beschichteten Pfanne in 3 EL Olivenöl auslegen und beidseitig anbraten. Salzen, pfeffern.
(10) 1 TL Hartweizengriess in 1 dl Wasser 5 Minuten zu einer Stärkelösung kochen.
(11) Das Bain-marie zum Sieden bringen: 4 Minuten vor dem Servieren die Schüssel aufsetzen, etwa die Hälfte der Stärkelösung zugeben und stetig mit dem Schwingbesen rühren. Sobald die Sauce andickt, 3/4 der Speckwürfel unterrühren und die Schüssel vom Topf heben, das Ei darf nicht stocken.
(12) Artischocken auf die vorgewärmten Teller geben und mit der Carbonara übergiessen. Restliche Speckwürfel aufstreuen. Polpette dazu.
(13) reichlich pfeffern.
Die Kartoffelküchlein schmecken Röstzwiebelwürzig, Kreuzkümmelig. Nach Kampf und Guanciale. Eine sättigende Beilage zu Artischocken. Übrigens: ich erbeutete im Badischen noch ein Palett mit 48 Gläsern Sauerkirschkonserven, die ich schwarzmarktmässig anbiete gegen Mehl und Pasta 😉
(*) Zitate nach Karl Kraus, der das Gedicht (aus den letzten Tagen der Menschheit) himself vorträgt (undatierte historische Aufnahme von ca. 1932)